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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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Augen geschlossen. Vielleicht setzen ihm die Drogen zu. Ich sehe den General fragend an, aber er gibt mir erneut ein Zeichen, ruhig zu bleiben. Genau in diesem Augenblick setzt Lipman wieder ein, bruchstückhaft, und mit demselben Thema.
    »Noch bevor Leonardo von Mailand nach Mantua ging, wollte der französische König die gesamte Wand des Refektoriums kaufen und nach Frankreich transportieren lassen. Er war der Erste, der das Genie dahinter wahrhaftig erkannte.«
    »Was hat das alles mit uns zu tun?«, frage ich den General, der erneut abwinkt.
    »Nachdem Leonardo Mailand verlassen hatte, folgte eine zweijährige Schaffenspause. Historiker haben dies seiner Wanderschaft zugeschrieben und seinem wechselnden Interesse an Wissenschaft, Medizin, Krieg und so vielen anderen Dingen, was in mancher Hinsicht sicherlich stimmt. Man darf nicht vergessen, Leonardo verließ Mailand als reicher Mann, er befand sich in der Lage, sein Genie so einzusetzen, wie er es wollte, jedenfalls eine Zeit lang.«
    »Woher weißt du das?«, frage ich unfreundlich, gelangweilt von seinem Exkurs.
    »Als König Ludwig der Zwölfte erfuhr, dass er die Wand nicht würde erwerben können, muss er direkt an Leonardo herangetreten sein und eine vergleichbare Arbeit gekauft haben.«
    »Was hat er gekauft?«
    » Das Abendmahl .«
    Ich werfe dem General einen entnervten Blick zu. »Der ist nicht mehr zu gebrauchen.«
    Der General schnalzt mit der Zunge, um mich zum Schweigen zu bringen.
    Ich gehe zum Bett und spreche in Lipmans behaartes Ohr. Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, halte ich die brennende Zigarette über sein Gesicht. » Das Abendmahl ist in Mailand. An einer Wand, verdammt noch mal. Ich will wissen, was für ein Bild der französische König gekauft hat.«
    »Der König hat Das Abendmahl gekauft. Einen Vorentwurf - auf Leinwand.«
    Der Raum scheint zu schwanken. Ich fühle mich, als hätte ich gerade das letzte Element einer Matroschka geöffnet und einen vollkommen unerwarteten Schatz darin gefunden.
    Ich stürze mich auf ihn, packe ihn am Schopf und reiße seinen Kopf nach hinten. Sauge an der Zigarette, bis ich die Hitze an meiner Nase spüre, und drücke die glühende Asche auf die Haut direkt unter seinem Auge. Er schreit so laut, dass es mir in den Ohren weh tut.
    »Rede keinen Mist, Lipman! Wo zum Teufel ist Leda? «
    Ich nehme die Zigarette weg, aber er schreit weiter, ein langes nicht enden wollendes Heulen. Ich gebe ihm weniger als dreißig Sekunden, bevor ich wieder einen langen Zug nehme.
    »Nein! Stopp!«
    »Der nächste ist für dein Auge, Lipman. Ich habe keine Lust mehr auf diese Scheiße.«
    » Das Abendmahl war zusammen mit der Leda unter dem Mignard versteckt!« Er spricht so schnell, dass mir die Spucke ins Gesicht sprüht. »Sofia hat sie beide gekauft. Und als sie sie verstecken musste, hat sie beide zusammengelegt.«
    »Wo sind die Bilder jetzt?«
    Lipman ist wie hypnotisiert von der Zigarette. Er hat jede Fähigkeit zur Konzentration verloren - das ist gut, denn so kann ich sicher sein, dass er nicht lügt, jedenfalls nicht jetzt. Zu wissen, dass er daran glaubt, macht mir schlagartig die enorme Bedeutung seiner Worte bewusst. Leonardo hat Das Abendmahl zweimal gemalt. Die Konsequenzen sind so weitreichend, dass es mir den Atem verschlägt.
    »In St. Petersburg. Sie haben St. Petersburg nie verlassen.«
    »Wo in St. Petersburg?«
    »Der Mann mit den schrecklichen Narben hat sie versteckt. Felix hat sie versteckt.«
    »Wer ist Felix?«
    »Er ist tot.«
    »Wer also war Felix?«
    »Niemand. Nur ein Hausmeister in der Isaakskathedrale. Er ist tot.«
    »Wie ist Felix, der Hausmeister, gestorben?«
    »Er ist gefallen. Vielleicht hat ihn jemand gestoßen.«
    »Wer hat ihn gestoßen?«
    Ich hatte nicht geglaubt, dass sich seine Augen noch mehr weiten könnten, aber sie tun es. »Ich weiß es nicht, ich schwöre.«
    »Wer könnte es gewesen sein?«
    »Maxim«, sagt er, als beantwortete er eine Frage, die er sich selbst immer wieder gestellt hat. »Ich glaube, Maxim hat Felix von der Kuppel der Kathedrale gestoßen, weil er ihm nicht sagen wollte, wo die Bilder versteckt waren.«
    »Und wo sind die Bilder versteckt?«
    »Das weiß ich auch nicht.«
    »Woher hatte Felix sie?«
    »Kurz nachdem wir dich im Kanal gelassen haben, gaben wir die Bilder einem Mann, von dem uns gesagt wurde, wir sollten ihm trauen. Der wiederum gab sie Felix zur Aufbewahrung, und Felix erfuhr, um welche Bilder es sich handelte. Das sollte er

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