Russisches Abendmahl
obwohl ich es schon weiß.
Maxim schneidet eine Partagas an. Er lässt sich Zeit, sie gleichmäßig anzuzünden, pafft genüsslich daran und betrachtet zufrieden die perfekte Asche.
»Er hat immer nur seine Tabellen im Kopf«, lügt er.
»Ein Prozent hier, ein Prozent dort - was machen ein paar Punkte für einen Unterschied? Sie fallen schneller, das ist alles.« Sein donnerndes Lachen scheint aus der tiefsten Tiefe seiner Brust zu kommen. Er bricht mitten im Lachen ab und verengt seine eisenharten Augen zu Schlitzen. »Erledige es bald. Und zwar so, dass viele Leute es mitbekommen - so, dass es eine Lektion ist.« Er zieht kräftig an seiner Zigarre, so wie ich am Abend zuvor bei Lipman. Rauchschwaden verdecken seine plumpen Züge.
»Und ich will die Pistole zurück.«
Als ich abends zum Loft zurückkomme und dem General eine E-Mail schreiben will, bleibe ich wie angewurzelt im Eingang stehen. Posnowa ist weg. Die Heizung wirkt nackt ohne sie.
Mein Blut kocht. Ich schleiche rüber ins Schlafzimmer. Valja liegt ohnmächtig auf dem Bett, die Drogen haben sie umgehauen. Alla, meine geschmeidige Pornoqueen und Managerin, passt auf sie auf. Sie sitzt neben ihr am Bett und liest ein Buch, das sie jetzt aber offen auf den Schoß legt, als sie mich hört, und mich aus weiten grünen Augen ansieht.
»Sie will dich«, hatte mir Valja Monate zuvor anvertraut, als wir nebeneinander hinter einer Spiegelglasscheibe standen und Alla zusahen, wie sie ihren langen Körper auf einem Himmelbett ausstreckte, sich wand und vor einer Kamera masturbierte, die ihre Bilder in die Festplatten von Voyeuren überall auf der Welt sandte. Allas gespreizte Beine umrahmten ihre tanzenden pinken Fingernägel, über denen ihr funkelnder Blick sich sehnend durch den Spiegel zu bohren schien. Bis das Mädchen an der Tastatur neben ihr die neuen Anweisungen eines LiveCam-Voyeurs durchgab und Alla sich auf den Bauch drehte und ihren perfekten Hintern hoch in die Luft hob und so in die Kamera richtete, wie es dem gewünschten Anblick entsprach.
»Nein, tut sie nicht«, hatte ich geantwortet, aber Valja schnaubte nur und ging weg.
»Was ist mit der Frau?«, frage ich Alla.
Sie hebt ihre gezupften Augenbrauen. »Valja hat heute Morgen gesagt, ich soll ihr einen Arzt besorgen. Das habe ich getan. Dann bin ich ins Lagerhaus gefahren und als ich wiederkam, war sie weg.«
Ich sehe in die andere Richtung und versuche, meine Wut zu verbergen. Wenn Valja sie tatsächlich hat gehen lassen, dann ist das dasselbe, als würde sie eine Waffe auf mich richten. Ich will sie wachrütteln, aber sie ist nicht in der Verfassung zu reden, noch nicht jedenfalls.
Ich maile dem General, um ihn von Maxims neuestem Auftrag in Kenntnis zu setzen, der seinem eigenen sehr ähnelt, und mache mich dann auf den Weg ins Café, wo ich Vadim abhole. Ich gehe schnell, atme schwer und fühle mich entsetzlich einsam. Und erneut betrogen. Nach all dem was war, hat Valja ihre Gelegenheitsgeliebte über mich gestellt.
Während ich auf eine Antwort des Generals warte, fahren wir in unserem Mitsubishi Van auf der Suche nach Jakowenko durch die nächtliche Innenstadt. Um den Mord an ihm, Maxims Anweisung entsprechend, möglichst öffentlich zu machen, brauchen wir Tageslicht und Menschenmengen. Die beste Gelegenheit, beschließen wir, ist auf seinem Weg zur Arbeit am belebten Nowy Arbat.
Wir entscheiden uns für eine Stelle hinter einer Plakatwand mit einem magersüchtigen blonden Model auf einem roten Sportwagen, der scheinbar auf türkisem Wasser parkt. Vadim fährt mit dem Van verschiedene Strecken ab und misst Zeiten und Entfernungen. Ich würde die Strecken gern noch einmal am Morgen durchgehen, unter tatsächlichen Verkehrsbedingungen, aber die Zeit ist knapp, und so bekommen wir wenigstens einen Eindruck von dem, was uns erwartet.
Der Auftrag ist eigentlich unkompliziert, aber wir verbringen die restlichen Stunden damit, das Timing zu perfektionieren, in der Hoffnung, dass ich keine Bodyguards oder Passanten töten muss. Mittlerweile gebe ich mein Bestes, meinen Frust zu verdrängen, mich nicht um das kümmern zu können, was wirklich wichtig ist - Valja, Leda und, wenn es tatsächlich existiert, Das Abendmahl .
Am nächsten Morgen bin ich um drei Uhr auf und arbeite an meinem Tisch in einer Ecke des Lofts. Die Antwort des Generals auf meine E-Mail besteht aus drei Wörtern: Zur Kenntnis genommen .
Der Abgeordnete hat beim General keinen sicheren Hafen
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