Russisches Abendmahl
und bin froh, nicht schon wieder Treppen steigen zu müssen. Die Korridore sind breit und sauber, mit rotem Teppich ausgelegt. Selbst aus der strukturierten elfenbeinfarbenen Tapete tropft der Reichtum. Für das Schloss benötigt man einen altmodischen Schlüssel, keine Karte. Ich drehe mich mit dem Rücken zur Überwachungskamera, obwohl die Chancen, dass mich tatsächlich jemand beobachtet, gegen null gehen, zumal die meisten Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr als ein teurer Witz sind. Ich hole ein paar Werkzeuge aus dem Beutel um meine Hüfte, öffne das Schloss in weniger als einer Minute und gleite hinein wie ein Luftzug.
Im Eingangsbereich aus Travertin ist es dunkel. Zu meiner Rechten reflektiert eine in rostfreiem Stahl gehaltene Küche das grüne Licht der Digitalanzeige einer Ofenuhr. Der Travertin weicht dem Hartholzboden eines kurzen Flurs, der in ein großes Wohnzimmer führt. Eine der Türen auf der linken Seite ist angelehnt, aus dem Raum dahinter kommt weiches weißes Licht und ein unidentifizierbares Geräusch. Es riecht nach neuem Leder, Lack und gewürztem Huhn. Die ganze Wohnung ist krankhaft sauber. Ich schleiche in Richtung Licht, wo jetzt Stöhnen und das Geräusch von aufeinanderklatschendem Fleisch zu hören sind. Ich ziehe die Sig und husche ins Zimmer.
Lipman liegt auf einer Rothaarigen, die, als sie mich sieht, leise »Rolf« sagt, so als dürfte ich sie nicht hören. Da er nicht antwortet, trommelt sie auf seinen Rücken ein. Aber er versteht ihre Schläge als Zeichen der Leidenschaft und stößt kräftiger zu. Erst als ich die Sig durchlade, hält er inne. Er sieht sich nicht um, aber seine Ohren gehen nach hinten wie die einer Katze.
Ich sehe der Rothaarigen in die Augen. »Callgirl?«
»J-j-ja.«
»Für wen arbeitest du?«
Ihre Augen weiten sich. »Was?«
»Du hast mich verstanden.«
Sie nennt mir den Namen eines Zuhälters, der auf der Gehaltsliste eines mir bekannten schnurrbärtigen Gangsters steht. Das reicht, um zu wissen, dass sie Lipman nichts bedeutet. Ihre Sachen liegen auf einem Haufen am Fußende des Bettes. Ich werfe sie ihr zu. »Zieh dich an, hau ab und halt den Mund. Okay?«
Sie nickt zustimmend. Lipmans Penis plumpst schlaff aus ihr heraus, als sie zur Seite rollt. Er hat sich immer noch nicht zu mir umgedreht. Es dauert einige Minuten, bis sie sich angezogen hat, dann riskiert sie einen letzten Blick in meine Richtung und verschwindet.
Lipman dreht sich endlich auf den Rücken und schüttelt eine Zigarette aus einer Packung auf dem Nachttisch. Er unternimmt keine Anstrengungen, sich zu bedecken.
»Alexei Volkowoj«, sagt er ohne jeden Grund.
»Warum hast du Arkadij das angetan?« Ich spreche ruhig und sanft und bewege mich dabei auf das Fußende zu.
Genau wie auf den Bildern von der ukrainischen Grenze wirkt sein Gesicht härter als vorher, es liegt eine Boshaftigkeit darin, die ich damals im Newa Café nicht gesehen habe. Als er die Zigarette anzündet und daran zieht, verstärkt sich dieser Eindruck noch.
»Warum ich ihn auf diese Art getötet habe? Aus Spaß«, antwortet er und spitzt die Lippen.
Er denkt, ich sei langsam. Er hat mich hinken gesehen. Er weiß von Arkadij und vielleicht auch von anderen, dass mir die Tschetschenen den Fuß amputiert haben. Deswegen ist er nicht darauf vorbereitet, als ich mich quer über das Bett werfe und mit den Knien voran auf seiner unbehaarten Brust lande. Der Lauf der Sig schlägt ihm die Zähne aus. Ich ramme ihm die Waffe so tief in den Mund, dass er keinen Laut mehr von sich gibt.
Mit der freien Hand hebe ich seine Zigarette auf, nehme einen langen Zug und schaue zu, wie sich in seinen Augen das Entsetzen über das spiegelt, was jetzt kommen wird. Als die Spitze rot knisternd glüht, drücke ich sie ihm in das weiche Fleisch an seinem Hals. Er windet sich vor Schmerzen. Und dann tue ich es wieder und wieder, bis seine stechende Pisse die Laken durchnässt und er das Bewusstsein verliert.
Ich schubse ihn vom Bett und kette ihn mit den Händen überm Kopf am Rahmen fest. Dann hole ich mein Messer raus und durchsuche die Wohnung, schlitze Kissen auf, zerschlage Möbel, zerschlitze maßgeschneiderte Anzüge, reiße Bodenbretter auf.
Nach einer Weile kommt Lipman stöhnend zu sich.
Die Packung Zigaretten auf dem Nachttisch ist fast voll. Ich zünde eine an, warte bis er wieder ganz bei sich ist, und fange von vorne an. Ich konzentriere mich auf Brust und Bauch, weil das die Gegend ist, die am besten zu
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