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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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geschlafen in den fünf Nächten seit dem Mord an Jakowenko. Aber das gemütliche Erste-Klasse-Abteil erscheint mir perfekt für eine Aussprache. Valja und ich, zwei gebrochene Hälften, zwei Skorpione in einer Flasche, jetzt haben wir Zeit, uns mit unseren Gegensätzen auseinanderzusetzen, bevor wir uns wieder auf die Suche nach den Gemälden begeben, die der narbenbedeckte Felix, der Hausmeister der Isaakskathedrale, versteckt hat.
    Valja starrt aus dem Fenster in die Dunkelheit. Sie ist inzwischen gefestigter, zwar noch nicht wieder ganz auf der Höhe, aber schon besser auf den Krücken unterwegs. Sie trägt eine weite schwarze Yogahose, deren linkes Bein bis zum Oberschenkel zurückgebunden ist, einen schwarzen Capezio Tanzschuh und einen zu großen roten Pullover.
    Plötzlich dreht sie sich zu mir. »Warum hast du das Baby nicht zu mir gebracht?«
    Ich glaube, sie ist wirklich verletzt. Valja hat Mascha nur ein einziges Mal getroffen, so weit ich weiß. Neuigkeiten dieser Art müssen auf geheimen, mir unbekannten Wegen zu ihr dringen. Ich weiß nicht, wie ich ihr anders antworten soll als mit der Wahrheit, so wie ich sie sehe. »Du hattest noch gar keine Gelegenheit, dein eigenes Leben zu leben. Du solltest das nicht für ein Kind aufgeben, oder für irgendjemand anderen.« Womit ich natürlich mich meine, auch wenn das wehtut.
    Sie beißt sich auf die Unterlippe.
    Ich verschone sie nicht. »Du bist zu jung, um dich zu binden. Du musst das Leben für dich selbst entdecken. Diese Hexe, die ich an die Heizung gekettet hatte, ist Beweis genug dafür.«
    Ein Fauchen dringt aus ihrer Kehle, es klingt nach einem aufgebrachten Marder. »Du bist ein dickköpfiger Esel!«
    »Kann sein, aber ein vertrauensvoller war ich auch.«
    »Ich habe dich nie angelogen.«
    »Nein, gelogen hast du nie. Du hast nur getan, was du wolltest, und mit wem du wolltest. Wie zum Teufel willst du mir Posnowa erklären?«
    Sie wird rot. Eine Vene pocht an ihrem bleichen Hals, wie das rasende Herz einer Taube. »Ich habe sie als Kasia kennengelernt. Ich dachte, sie unterrichtet an der Universität.« Tränen treten in ihre Augen. »Ich wusste nicht, dass sie mit all dem etwas zu tun hat.« In der Geste ihrer Hand liegt alles, was in den letzten zwei Monaten geschehen ist.
    »Wie ist es passiert?« Diese Frage habe ich ihr schon einmal gestellt, ohne eine Antwort zu bekommen. Wie ich sehe, fällt es ihr auch diesmal schwer.
    »Nabi hat uns vorgestellt. In einem Club, wir haben getrunken, hatten Spaß. Nichts weiter. Dann trafen wir uns in der Bibliothek wieder.« Sie bleibt hartnäckig. »Du hast gesehen, wie sie aussieht. Du kannst dir vorstellen, wie es angefangen hat.«
    Ich denke an Lipmans drogenbenebelten Exkurs. Er hat die Bilder gefunden, machte aber den Fehler, mit Orlan darüber zu sprechen. Orlan und Posnowa trugen die Information an Maxim weiter, der anfing, die Strippen zu ziehen. Einschließlich der zu Nabi, meinem Stellvertreter. Jetzt kenne ich wenigstens einen der Gründe, warum Maxim Nabi bezahlt hat.
    »So wäre es vielleicht bei mir gewesen, oder bei einem anderen Mann. Aber nicht bei einem Mädchen.«
    »Sei nicht so verdammt naiv, Alexei.«
    Mir kommt die Galle hoch. Ich kann mich nicht mehr beherrschen. »Du warst die Einzige für mich, Valja! Ich war nicht hinter jedem Rock her, der mir über den Weg gelaufen ist, und vor allem habe ich nicht angefangen, Männer zu vögeln!«
    Ihre Augen verengen sich zu einem beängstigenden Blick, den ich gut kenne, weshalb ich vorbereitet bin, als ihre Faust auf meinen Kopf zuschnellt wie eine Schlange. Ich wehre den Schlag ab. Weiche der zweiten Faust aus, die aus dem Nichts kommt und die Sitzlehne hinter mir trifft. Versuche, ihren kratzenden Fingernägeln zu entkommen und falle entmutigt in die Polster, als es ihr mit einiger Mühe gelingt, die Tür zu öffnen, und sie mich allein zurücklässt.
    Nachdem sie weg ist, halte ich durch das Fenster Ausschau nach Lichtern. Ich hatte mir geschworen, nicht die Beherrschung zu verlieren. So viel dazu. So viel zu einem Haufen Dingen. Drei schaukelnde Stunden später schiebt sie die Tür auf und setzt sich langsam auf ihren Platz. Ihr Blick sagt mir, dass sie noch sauer ist.
    »Bei ihr habe ich Dinge gefühlt, die du mir nicht geben kannst«, sagt sie. Ihre Augen glühen, während sie meine Reaktion auf ihre Worte abschätzt, vermutlich hofft sie, mich so verletzt zu haben wie ich sie.
    Ich weiß, dass das, was ich jetzt sage, nicht die

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