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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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gemacht?«
    Wenn man dem Herrn Goschkewitsch glaubte (und warum sollte man einem angesehenen Gelehrten nicht glauben?),gibt es für einen Japaner nichts Schlimmeres als eine beschämende Situation und einen öffentlichen Skandal. Überdies sei bei den gelbgesichtigen Söhnen des Mikado sehr stark das Gefühl der Verantwortung gegenüber ihrem Lehnsherrn ausgeprägt, und der Hofrat war für den Rundgesichtigen eben der Lehnsherr.
    Der Kammerdiener war in der Tat aufs höchste erschrocken. Er verbeugte sich tief und murmelte: »Enssuldigen, enssuldigen. Mein Ssuld. Ich sie genommen, nichlückgebe.«
    Momus hatte nicht verstanden, aber eines war klar: Wie es sich für einen japanischen Vasallen gehörte, war der Kammerdiener bereit, die Schuld seines Herrn auf sich zu nehmen. Guter Mann, dieser Masa, leider keiner von uns.
    »Sie mich töten, ich ssuld.« Der treue Diener verbeugte sich, wich zurück und winkte den drohenden Besucher ins Innere des Hauses.
    Aha, die Nachbarn sollen nichts mitkriegen, erriet Momus. Nun, das deckte sich mit seinen eigenen Plänen.
    Momus, in die Diele getreten, tat, als sähe er sich den Mann erst jetzt genauer an und begriffe seinen Irrtum.
    »Sie sind ja gar nicht Fandorin! Wo ist er? Und wo ist meine Allerliebste?«
    Der Japaner wich zur Salontür zurück und verbeugte sich unaufhörlich. Er begriff, daß er nicht länger den Herrn spielen konnte, richtete sich auf, kreuzte die Arme vor der Brust und sagte akzentuiert: » Meine Herr nich da. Weggefahlen. Gans weg.«
    »Du lügst, Halunke.« Momus stöhnte, stieß Fandorins Vasallen beiseite und stürmte vorwärts.
    Im Salon saß, den Kopf verängstigt zwischen die Schultern gezogen, ein breitohriger, pickeliger Schwächling in einem abgeschabten Gehrock. Dessen Anwesenheit überraschte Momus nicht. Der Mann hieß Anissi Tulpow und war ein kleiner Angestellter von der Gendarmerieverwaltung. Er kam jeden Morgen und war auch in der Lotterie gewesen.
    »Ah!« rief Momus martialisch. »Da sind Sie also, Herr Wüstling!«
    Der Breitohrige sprang auf, schluckte krampfhaft, stammelte: »Euer Erl… Euer hohe Exzellenz … Ich bin eigentlich …«
    Aha, kombinierte Momus, der Bengel ist im Bilde über die persönlichen Umstände seines Chefs.
    »Womit haben Sie sie verlockt?« wehklagte Momus. »Mein Gott, Addy!« brüllte er aus vollem Halse und sah sich um. »Wie hat dieses Scheusal es fertiggebracht, dich zu verführen?«
    Bei dem Wort »Scheusal« lief der Schwächling rot an und runzelte die Stirn. Momus mußte seine Taktik ändern.
    »Bist du etwa diesem lasterhaften Blick und diesem Lüstlingsmund erlegen?« heulte er, an die unsichtbare Addy gewandt. »Dieser geile Satyr, dieser ›Träger des Chrysanthemenordens‹ will doch nur deinen Körper, aber mir ist deine Seele kostbar! Wo bist du?«
    Der Milchbart straffte sich.
    »Mein Herr, Euer Exzellenz, ich kenne durch einen reinen Zufall die delikaten Umstände dieser Geschichte. Ich bin nicht Erast Fandorin, wie Sie zu glauben scheinen. SeineHochwohlgeboren ist nicht hier. Die Gräfin Ariadna auch nicht. Es hat also keinen Zweck, wenn Sie …«
    »Nicht hier?« fiel Momus ihm mit erloschener Stimme ins Wort und sank kraftlos auf einen Stuhl. »Wo ist denn mein Kätzchen?«
    Als er keine Antwort bekam, schrie er: »Nein, ich glaube es nicht! Ich weiß genau, daß sie hier ist!«
    Wie ein Wirbelwind sauste er durchs Haus, riß überall die Türen auf. Flüchtig dachte er: schöne Bleibe, und geschmackvoll eingerichtet. In einem Zimmer stand ein Toilettentischchen voller Döschen und Kristallflakons. Er erstarrte, schluchzte.
    »Mein Gott, das ist ihre Schatulle. Und ihr Fächer.«
    Er schlug die Hände vors Gesicht.
    »Und ich hatte immer noch gehofft, daß es nicht stimmt …«
    Der folgende Trick war für den Japaner bestimmt, der hinter ihm schnaufte. Dem sollte das gefallen.
    Er zog den Degen aus der Scheide und zischte mit verzerrtem Gesicht: »Nein, dann lieber den Tod. Diese Schande überlebe ich nicht.«
    Der pickelige Anissi Tulpow ächzte auf vor Entsetzen, der Kammerdiener hingegen warf dem gehörnten Ehemann einen Blick voller Hochachtung zu.
    »Selbstmord ist eine schwere Sünde«, sagte Tulpow sehr aufgeregt, die Hände an die Brust gedrückt. »Sie töten Ihre Seele und verurteilen Ihre Gattin zu ewigen Leiden. Es ist doch Liebe, Euer Exzellenz, da kann man nichts machen. Verzeihen muß man als Christenmensch.«
    »Verzeihen?« stammelte der unglückliche Kammerherr

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