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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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verwirrt. »Als Christenmensch?«
    »Ja!« rief der junge Mann feurig. »Ich weiß, es ist schwer, aber dann wird Ihnen ein Stein vom Herzen fallen, Sie werden sehen.«
    Momus wischte erschüttert eine Träne weg.
    »Wirklich, verzeihen, alles vergessen … Sollen die Leute lachen, mich verachten. Ehen werden im Himmel geschlossen. Ich nehme sie mit, meine Herzliebste. Ich rette sie!«
    Betend kehrte er die Augen himmelwärts, und über seine Wangen kullerten große Tränen – Momus hatte diese wunderbare Gabe.
    Der japanische Kammerdiener wurde lebhaft.
    »Jaja, mitnehmen, mitnehmen nachhause, gans nachhause.« Er nickte. »Wie ssön, wie edel. Wozu Harakiri, das nich muß sein, nich ssön.«
    Momus stand mit gesenkten Lidern und leidend zusammengezogenen Brauen da. Die beiden warteten mit angehaltenem Atem, welches Gefühl obsiegen würde: die verletzte Eitelkeit oder der Edelmut.
    Der Edelmut siegte.
    Momus schüttelte energisch den Kopf und verkündete: »Nun, dann mag es so sein. Der Herrgott hat mich vor einer Todsünde bewahrt.« Er schob den Degen zurück in die Scheide und bekreuzigte sich, weit ausholend. »Sei bedankt, guter Mann, daß du eine christliche Seele vor dem Untergang bewahrt hast.«
    Er reichte dem Schwächling die Hand, und der drückte sie tränenden Auges und ließ sie nicht gleich wieder los.
    Der Japaner fragte nervös: »Sie nehmen nachhause? Gans nachhause?«
    »Jaja, mein Freund.« Momus nickte mit edler Trauer. »Ich bin mit der Kutsche hier. Pack ihre Sachen zusammen, ihre Kleider, ihren Schmucckram.« Seine Stimme bebte, die Schultern zuckten.
    Der Kammerdiener eilte bereitwillig, wie aus Furcht, der leidgeprüfte Ehemann könne es sich noch anders überlegen, davon, um Truhen und Koffer vollzustopfen. Der Pickelige schleppte die Sachen ächzend in den Hof. Momus ging noch einmal durch die Zimmer, betrachtete die japanischen Gravüren. Darunter waren sehr sehenswerte mit anstößigem Inhalt. Ein paar von den pikanten schob er in den Rock – Mimi würde sich amüsieren. Im Arbeitszimmer des Hausherrn schnappte er sich noch den Nephrit-Rosenkranz, zur Erinnerung. Dafür ließ er etwas zurück, auch zur Erinnerung.
    Das Verladen des Gepäcks hatte keine zehn Minuten gedauert.
    Beide, der Kammerdiener und der kleine Sekretär, begleiteten den »Grafen« zur Kutsche und halfen ihm sogar beim Einsteigen. Der Wagen lag jetzt tiefer durch das Gewicht von Addys Gepäck.
    »Fahr los.« Momus nickte melancholisch dem Kutscher zu und verließ das Schlachtfeld.
    Die Schatulle mit den Preziosen der Gräfin hielt er in der Hand, ließ die blitzenden Steinchen liebevoll durch die Finger gleiten. Es war keine schlechte Beute. Das Angenehme hatte sich aufs glücklichste mit dem Nützlichen verbunden.Allein das Saphirdiadem, das ihm schon im Theater aufgefallen war, dürfte dreißigtausend bringen. Oder ob er es Mimi schenkte, zu ihren blauen Augen?
    Als er die Twerskaja entlangfuhr, kam ihm der bekannte Schlitten entgegengejagt. Der Hofrat war allein, sein Pelz stand offen, das Gesicht war bleich und entschlossen. Er fährt zu dem wütenden Ehemann, um sich mit ihm auseinanderzusetzen, dachte Momus. Löblich – ein tapferer Mann. Nur wirst du dich nicht mit ihm auseinanderzusetzen haben, sondern mit Madame Addy, mein Lieber, und nach meinen Informationen und persönlichen Eindrücken wird das nicht leicht sein. Addy setzt dich matti, kalauerte Momus nicht sehr geschickt, gleichwohl lachte er zufrieden.
    Sie werden schon sehen, Herr Fandorin, was es heißt, Momus an den Karren zu fahren. Eine Schuld wird durchs Zahlen erst schön.

Eine Birkhuhnjagd
    Die Beratung zum Fall »Pikbube« fand im engsten Kreise statt: Seine Erlaucht Fürst Dolgorukoi, Frol Wedistschew, Erast Fandorin und, als Mäuslein im Eck, der Gottesknecht Anissi Tulpow.
    Es war schon Abend, die Lampe mit dem grünen Seidenschirm beleuchtete nur den Schreibtisch des Generalgouverneurs und seine nähere Umgebung, so daß Tulpow kaum zu sehen war – in den Winkeln des Arbeitszimmers lagen sanfte Schatten.
    Die halblaute Stimme des Berichterstatters klang monoton, und der Generalgouverneur schien entschlummert zu sein, denn die faltigen Lider waren herabgesunken, und der lange Schnurrbart zuckte im Takt des gleichmäßigen Atmens.
    Dabei näherte sich der Bericht eben dem spannendsten Teil – den Schlußfolgerungen.
    »Es ist vernünftigerweise a-anzunehmen«, legte Fandorin dar, »daß folgende Leute zu der Bande gehören: der

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