Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
aus ihm und Sonja werden? Gelähmter Bruder und schwachsinnige Schwester, ein schönes Paar.
    Er kniff die Augen zu, um zu springen, aber die kräftige Hand des Chefs hielt ihn zurück.
    »Lassen Sie«, sagte Fandorin und blickte dem flotten Fräulein mit fröhlichem Staunen hinterher. »Das Hauptsubjekt h-haben wir.«
    Der Hofrat ging ohne Eile zu dem Vorsitzenden der Lotterie. Der riß die Hände hoch, als wollte er sich gefangen geben, und ratterte los, ohne eine Frage abzuwarten: »Euer … Euer Hochwohl… Ich habe nur für eine kleine Vergütung … Ich weiß von nichts, tue nur, was man mir sagt … Den Herrn da müssen Sie fragen … Der den Schutzmann spielt …«
    Fandorin und Anissi drehten sich in Richtung des zitternden Zeigefingers um, doch kein Schutzmann war zu sehen. Nur die Fellmütze schaukelte am Haken.
    Der Chef stürzte zur Tür, Anissi hinterher. Auf der Treppe drängte sich die aufgeregte Menge – da war kein Durchkommen.
    Fandorin verzog den Mund, schlug sich mit den Knöcheln gegen die Stirn und knallte die Tür zu.
    Anissi untersuchte derweil die Fellmütze, die der falsche Polizist zurückgelassen hatte. Es war eine gewöhnliche Mütze, nur war innen eine Spielkarte ans Futter geheftet: ein kokett lächelnder Pikbube mit Federhut.
    »Aber wie konnten Sie das wissen, Chef?« stammelte Anissi entgeistert und sah den wütenden Fandorin an. »Wie sind Sie darauf gekommen? Sie sind wahrlich ein Genie!«
    »Ich bin kein Genie, sondern ein Dummkopf!« fauchte Fandorin ärgerlich. »Wie ein blutiger Anfänger habe ich mich einseifen lassen! Falle auf einen Strohmann herein und lasse den Anführer entkommen! Ein gerissener Halunke! Wie ich darauf gekommen bin, fragen Sie? Das war nicht weiter schwer. Ich sagte Ihnen doch, daß ich beim Spielen nie verliere, besonders bei G-Glücksspielen nicht. Als das Los eine Niete war, wußte ich gleich: Betrug.« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Außerdem, seit wann hat ein venezianischer Palazzo eine K-Kutschenauffahrt? In Venedig gibt es gar keine Kutschen, nur Gondeln …«
    Anissi wollte fragen, woher der Chef wußte, daß der »Pikbube« in die Sache verwickelt war, aber er kam nicht dazu, denn Fandorin schrie wütend: »Was starren Sie die verdammte Mütze an? Was ist daran so interessant?«

Eine Schuld wird durchs Zahlen erst schön
    Was er nicht ausstehen konnte, waren Rätsel und Unerklärlichkeiten. Jedes Vorkommnis, und sei es ein sprießender Pickel auf der Nase, hat seine Vorgeschichte und seine Ursachen. Einfach so, aus dem Nichts, geschieht gar nichts auf dieser Welt.
    Und nun war plötzlich – s’il vous plaît – die sorgfältig ausgearbeitete, schöne, ach, nur keine falsche Bescheidenheit, die geniale Operation geplatzt, noch dazu ohne ersichtlichen Grund!
    Die Tür des Arbeitszimmers ging widerlich quietschend auf, und im Spalt zeigte sich Mimis Gesicht. Momus zerrte den Lederpantoffel vom Fuß und warf ihn wütend nach ihrem goldblonden Pony – bleib draußen, stör mich nicht beim Denken. Die Tür klappte zu. Erbittert zauste er sich die Haare, so daß die Lockenwickler nach allen Seiten flogen, und ließ, an seinem Tschibuk knabbernd, die kupferne Feder übers Papier kratzen.
    Die Bilanz der Einnahmen und Ausgaben war miserabel.
    Nach grober Schätzung hatte die Lotterie am Ende des ersten Tages sieben- bis achttausend Rubel eingebracht. Die Kasse war beschlagnahmt – ein direkter Verlust.
    In einer Woche hätte die Lotterie, erst einmal in Schwunggekommen, bei vorsichtiger Schätzung sechzigtausend bringen sollen. Dann hätten sie aufhören müssen, sonst fuhr womöglich ein ungeduldiger Gewinner nach Paris, um seine Villa in Augenschein zu nehmen, und sah, daß hinter dem Grabtuch Christi etwas anderes steckte als erwartet. Aber eine Woche lang hätten sie schon Honig einsammeln können.
    Also, entgangener Ertrag – mindestens sechzigtausend.
    Und die Kosten für die Vorbereitung? Gewiß, Lappalien: die Miete für die Beletage, Druckkosten für die Lose, die Equipierung. Aber es ging ums Prinzip: Momus war im Minus!
    Außerdem war der Tölpel geschnappt worden. Der wußte zwar fast nichts, aber es war unschön, unsauber. Und es war schade um den alten Narren, einen trunksüchtigen Knattermimen vom Maly-Theater, der jetzt für lächerliche dreißig Rubel Vorschuß den Flöhen im Kittchen zur Nahrung diente.
    Wirklich schade aber war es um die glänzende Idee! Lotterie mit sofortiger Ziehung – das war doch was! Bei den

Weitere Kostenlose Bücher