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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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›Herzog‹, ›Speyer‹, der ›Notar‹, der ›Polizist‹, das Mädchen mit den ungewöhnlichen gymnastischen Fähigkeiten, ›Graf Opraxin‹ und sein Kutscher.«
    Bei den Worten »Graf Opraxin« bog sich FandorinsMundwinkel schmerzlich nach unten, und im Arbeitszimmer herrschte taktvolles Schweigen. Als Anissi jedoch genauer hinsah, merkte er, daß nur er selbst taktvoll schwieg; die übrigen schwiegen zwar auch, doch ohne Takt: Wedistschew lächelte ganz offen hämisch, und Seine Erlaucht blinzelte mit einem Auge und brummte vielsagend.
    Dabei war es gestern ganz und gar nicht lustig zugegangen. Als der Chef den Pikbuben entdeckte (im Arbeitszimmer auf dem malachitenen Löscher, wo zuvor der Nephrit-Rosenkranz gelegen hatte), verlor er seine immerwährende Beherrschung. Anissi machte er keinerlei Vorwurf, aber seinen Diener beschimpfte er gröblich auf japanisch. Der unglückliche Masa härmte sich so sehr, daß er Hand an sich legen wollte und in die Küche lief, um das Brotmesser zu holen. Fandorin brauchte lange, um den Ärmsten zu beruhigen.
    Allein, das waren Lappalien, verglichen mit dem Weltuntergang, der mit Addys Rücckehr begann.
    Bei der Erinnerung daran erschauerte Anissi. Sie hatte dem Chef ein brutales Ultimatum gestellt: Solange er ihre Garderobe, ihre Parfüms und ihre Juwelen nicht zurückbringe, werde sie nur noch in demselben Kleid und demselben Zobelcape herumlaufen, sich nicht parfümieren und immer nur dieselben Perlohrringe tragen. Und wenn sie davon erkranke, werde das einzig und allein seine Schuld sein. Mehr hatte Anissi nicht gehört, denn der Kleinmut hatte ihn übermannt, und er war retiriert, aber nach dem blassen Aussehen und den blauen Augenringen des Hofrats heute morgen zu urteilen, hatte dieser in der Nacht keinen Schlaf gefunden.
    »Ich hatte Sie gewarnt, mein Lieber, daß Ihre Eskapade kein gutes Ende nimmt«, sagte der Fürst belehrend. »Das ist wirklich unerquicklich. Eine anständige Dame der höchsten Gesellschaft, der Mann in gehobener Position. Es sind sogar schon aus der Hofkanzlei Klagen über Sie gekommen. Es gibt doch genügend unverheiratete Damen oder wenigstens von geringerem Rang.«
    Fandorin lief rot an, und Anissi erschrak – sein Chef würde doch nicht dem hohen Herrn Grobheiten sagen? Aber der Hofrat nahm sich zusammen und sprach weiter über den Fall, als wäre nichts gewesen: »So hatte ich mir die Zusammensetzung der Bande noch gestern vorgestellt. Doch bei der Analyse dessen, was mein Assistent mir über den gestrigen … V-Vorfall berichtete, habe ich meine Meinung geändert. Dank dafür gebührt Herrn Tulpow, der für die Untersuchung eine unschätzbare Hilfe war.«
    Über dieses Lob war Anissi höchlich verwundert, doch der alte Wedistschew warf giftig ein: »Aber ja, eine große Hilfe. Erzähle, Anissi, wie du geholfen hast, die Koffer zu tragen, und wie du den ›Pikbuben‹ am Ellbogen gestützt hast beim Einsteigen, damit er Gott behüte nicht fehltrat.«
    Anissi wäre am liebsten in der Erde versunken und für immer darin geblieben.
    »Frol Grigorjewitsch«, sagte der Chef begütigend, »Ihre Schadenfreude ist unangebracht. Wir alle hier wurden an der Nase herumgeführt, jeder auf seine Art. Halten zu G-Gnaden, Euer Hohe Exzellenz.« Der wieder eingenickte Generalgouverneur reagierte nicht auf die Entschuldigung, und Fandorin fuhr fort: »Gehen wir also nachsichtig miteinanderum. Wir haben einen überaus starken und dreisten Gegner.«
    »Nicht einen, sondern mehrere Gegner, eine ganze Bande«, verbesserte Wedistschew.
    »Eben daran hat Tulpows Bericht mich zweifeln lassen.« Der Chef fuhr mit der Hand in die Tasche, zog sie aber gleich wieder heraus, als hätte er sich verbrannt.
    Er wollte nach dem Rosenkranz greifen, dachte Anissi, doch der ist weg.
    »Mein A-Assistent hat sich die Kutsche des ›Grafen‹ genau angesehen und mir eingehend beschrieben. Dabei erwähnte er insbesondere das Monogramm SG auf dem Wagenschlag. Es ist das Zeichen der Gesellschaft ›Sinowi Goder‹, die Kutschen, Schlitten und Fiaker mit und ohne Kutscher vermietet. Ich war heute früh im Kontor der Gesellschaft und fand mühelos die bewußte Kutsche: Kratzer auf dem linken Schlag, himbeerrote Ledersitze und hinten rechts eine neue Radfelge. Wie groß war meine Verwunderung, als ich erfuhr, daß gestern ein ›seriöser Herr‹ in Montur mit Schärpe die Kutsche samt Kutscher gemietet hat!«
    »Und, was folgt daraus?« fragte Wedistschew.
    »Was schon! Der

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