Russisches Poker
auf frischer Tat.«
Offen gestanden, Anissi hatte das für eine übertriebene Spitzfindigkeit des Hofrats gehalten. Aber die Voraussagen Fandorins waren wie immer eingetroffen: Der Birkhahn war auf die Attrappe hereingefallen. Jetzt konnte er sich nicht mehr herausreden.
Fandorin riß ein Streichholz an und setzte die Zigarre in Brand. Dann sagte er hart und unfreundlich: »Ihr größter Fehler, mein liebwerter Herr, besteht darin, daß Sie Ihre Späße mit Leuten getrieben haben, die eine Verhöhnung nicht verzeihen.«
Da der Arrestant nichts sagte und nur die verrutschte Nase zu richten versuchte, hielt Fandorin es für richtig zu präzisieren: »Ich meine erstens den Fürsten Dolgorukoi und zweitens mich. Noch nie hat es sich jemand erlaubt, so dreist über mein Privatleben zu spotten. Und mit so unangenehmen Folgen für mich.«
Der Chef verzog leidend das Gesicht. Anissi nickte mitfühlend, als er sich erinnerte, was Fandorin auszustehen gehabt hatte, bis er aus der Kleinen Nikitskaja auf die Sperlingsberge umziehen konnte.
»Geschickt eingefädelt war das Ganze ja, das bestreite ich nicht«, fuhr Fandorin fort und nahm sich zusammen. »Die Sachen der Gräfin werden Sie selbstverständlich zurückgeben, und zwar sofort, noch vor Beginn des Prozesses. Dann ziehe ich diesen Anklagepunkt zurück. Der Name der Gräfin Opraxina darf nicht vor Gericht gezerrt werden.«
Der Hofrat dachte ein Weilchen nach, dann nickte er, als müsse er einen schwierigen Entschluß fassen, und sagte zu Anissi: »Tulpow, wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht, vergleichen Sie doch nachher die Sachen mit der Liste der Gräfin und schicken Sie alles nach Petersburg. Adresse: Fontanka, Haus von Graf und Gräfin Opraxin.«
Anissi seufzte, wagte jedoch keine weiteren Gefühle zu zeigen. Fandorin hingegen, verärgert wohl über den eigenen Entschluß, wandte sich wieder dem Arrestanten zu.
»Nun, Sie haben sich nicht schlecht amüsiert auf meine Kosten. Aber für jedes Vergnügen muß man bekanntlich zahlen. In den nächsten fünf Jahren in der Katorga werden Sie viel Zeit haben, aus allem nützliche Lehren zu ziehen. Dann werden Sie künftig wissen, mit wem Sie Späße treiben können und mit wem nicht.«
An Fandorins ausdruckslosem Ton erkannte Anissi, daß sein Chef von rasender Wut erfüllt war.
»Erlauben Sie mal, lieber Erast Petrowitsch«, sagte die »Duena« gedehnt. »Schönen Dank, daß Sie sich bei meinerFestnahme vorgestellt haben, sonst würde ich Sie weiterhin für eine indische Hoheit halten. Wie kommen Sie denn bitteschön auf fünf Jahre Katorga? Vergleichen wir doch mal unsere Arithmetik. Traber, Goldbach, Lord, Lotterie – lauter Rätsel. Was hat all das mit mir zu tun? Und von was für Sachen der Gräfin sprechen Sie? Wenn sie der Gräfin Opraxina gehören, wieso befanden sie sich bei Ihnen? Sie leben doch nicht etwa mit der Frau eines anderen zusammen? Das wäre aber gar nicht schön. Obwohl es mich auch wieder nichts angeht. Wenn ich aber beschuldigt werde, verlange ich Beweise und Gegenüberstellungen. Vor allem Beweise.«
Anissi ächzte angesichts solcher Frechheit und sah seinen Chef beunruhigt an. Der lachte böse auf.
»Dann darf ich mal fragen, was machen Sie hier? In dieser Aufmachung, zu nächtlicher Stunde?«
»Eine Dummheit habe ich gemacht«, antwortete Momus und schniefte kläglich. »Der Smaragd hat es mir angetan. Aber was Sie gemacht haben, nennt man Provokation, meine Herren. Sie werden ja sogar unten von Gendarmen bewacht. Das ist eine ganze Polizeiverschwörung.«
»Die Gendarmen wissen nicht, wer wir sind«, konnte Anissi sich nicht verkneifen zu prahlen. »Sie sind an keiner Verschwörung beteiligt. Für die sind wir Asiaten.«
»Unwichtig«, wischte der Betrüger seine Worte weg. »Wie viele Staatsdiener sind hier versammelt? Und alle gegen einen armen unglücklichen Mann, den Sie selbst in Versuchung geführt haben. Ein guter Advokat würde Sie vor Gericht in der Luft zerreißen. Außerdem ist Ihr Stein, soweit ich sehe, bestenfalls zehn Goldrubel wert. Wenn’s hochkommt, ein Monat Arrest. Und Sie, Erast Petrowitsch, reden von fünf Jahren Katorga. Meine Rechnung ist genauer.«
»So, und der Pikbube, den Sie vor zwei Zeugen aufs Bett gelegt haben?« Der Hofrat stieß verärgert die Zigarre in den Aschbecher.
»Ja, das war nicht schön von mir.« Der Gauner ließ reuig den Kopf hängen. »Das könnte man Zynismus nennen. Ich wollte den Verdacht auf die Bande der ›Pikbuben‹
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