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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nicht, Euer Unehren, das Ringlein ist von erlesener alter Arbeit.
    Der gottselige Paissi stand abseits der Kapelle friedlich da. Am Hals trug er eine Schale für Almosen. Wenn ihm einer Geld hineintat, ging er und schenkte es den Krüppeln. Rund um den Knaben, doch in respektvoller Entfernung, wartete eine Menge begierig auf Wunder. Nach dem gestrigen Ereignis hatte sich in Kirchen und auf Vorplätzen die Mär von dem Raben mit dem Goldring im Schnabel (so erzählte es die Fama) verbreitet.
    Der heutige Tag war trüb und kalt, aber der Gottesnarr trug wieder das weiße Hemd, nur daß er einen Tuchlappen um den Hals gewickelt hatte. Den näher tretenden Jeropkin beachtete er nicht, grüßte auch nicht.
    Was der Blutsauger zu Paissi sagte, konnte Momus von seiner Position aus natürlich nicht hören, aber es war wohl etwas Skeptisches. Mimis Aufgabe war, Jeropkin zu einer weniger belebten Stelle zu lotsen, denn Öffentlichkeit konnten sie jetzt nicht gebrauchen.
    Nun drehte sich der Knabe um, winkte dem Dickwanst und ging quer über den Platz direkt auf Momus zu. Jeropkin folgte ihm nach einigem Zögern. Die Gaffer wollten ihnen hinterher, aber der schwarzbärtige Janitschar knallte ein paarmal mit der Peitsche, da blieben sie zurück.
    »Nein, dem nicht, auf ihm ruht keine Gnade«, hörte MomusMimi mit kristallklarer Stimme sagen; sie war kurz bei einem verkrüppelten Soldaten stehengeblieben.
    Über einen krummgezogenen Buckligen sagte sie: »Dem auch nicht, seine Seele ist unrein.«
    Aber vor Momus, der sich in einiger Entfernung von den anderen Bettlern aufgestellt hatte, blieb der Knabe stehen, bekreuzigte sich und verneigte sich tief. Dann gebot er Jeropkin: »Hier, der leidgeprüften Frau gib den Beutel. Ihr Mann ist gestorben, ihre kleinen Kinder schreien nach Brot. Gib ihn ihr. Solche wie sie dauern die Gottesmutter.«
    Momus schrie in gellendem Falsett unter dem Weibertuch hervor, das er vom Kinn bis an die Nase gezogen hatte: »Was – gib ihr? Was soll er geben? Wes bist du, Kleiner? Woher weißt du von mir?«
    »Wer bist du?« fragte Jeropkin und beugte sich zu der Witwe herab.
    »Die Marfa Sjusina bin ich, Väterchen«, sang Momus mit süßer Stimme. »Eine arme Witwe. Mein Ernährer ist von hinnen gegangen. Sieben Kinder hab ich, eins kleiner als das andre. Schenk mir zehn Kopeken, daß ich ihnen Brot kaufe.«
    Jeropkin schnaufte laut, guckte argwöhnisch.
    »Gut, Kusma, gib ihn ihr. Und paß auf, daß Paissi nicht abflitzt.«
    Der Schwarzbart hielt Momus den Beutel hin, der nicht besonders schwer war.
    »Was ist das, Väterchen?« fragte die Witwe erschrocken.
    »Nun, was weiter?« fragte Jeropkin den Gottseligen, ohne der Witwe zu antworten.
    Der Knabe murmelte Unverständliches. Er plumpste auf dieKnie, schlug dreimal mit der Stirn auf das Pflaster. Dann legte er das Ohr an den Stein, als horchte er auf etwas, erhob sich.
    »Unsere Liebe Frau sagt, du sollst morgen bei Tagesanbruch in den Neskutschny-Park kommen und unter der alten Eiche hinter der Steinlaube in der Erde graben, da, wo der Stamm mit Moos bewachsen ist. Dort wirst du, Knecht Gottes, die Antwort finden.« Der Gottesnarr fügte leise hinzu: »Komm hin, Samson. Ich werde auch dort sein.«
    Jeropkin fuhr hoch.
    »Das könnte dir so passen! Willst du mich für dumm verkaufen? Du kommst mit zu mir, mein Lieber. Halt ihn fest, Kusma. Schlafe ruhig mal im ›steinernen Palast‹, wirst nicht gleich eingehen. Aber wenn du mich angeführt hast, gib dir selber die Schuld. Dann reiß ich dir meine Goldstücke aus dem Hals.«
    Momus kroch auf Knien langsam rückwärts, richtete sich dann auf und tauchte in das Gewirr der Gäßchen vom Ochotny Rjad.
    Er schnürte den Beutel auf, griff hinein. Es waren nur dreißig goldene Imperiale. Der filzige Jeropkin hatte geknausert. Wenn schon, dafür würde Unsere Liebe Frau ihrem treuen Knecht gegenüber nicht geizig sein.
    In aller Herrgottsfrühe, gut durchwärmt und mit einer Taschenflasche Kognak versehen, bezog Momus den beizeiten ausgespähten Schlupfwinkel in einem Gebüsch, von wo er einen guten Blick auf die alte Eiche hatte. Im Dämmerlicht schimmerten die weißen Säulen der schlanken Rotunde. Zu dieser Zeit war der Park menschenleer.
    Der Beobachtungsposten war bestens ausgewählt und vorbereitet. Momus aß Brot mit kaltem Schweinebraten (zum Teufel mit der Fastenzeit) und trank aus dem Schraubdeckel von dem Schustow-Kognak. Und da kam auch schon Jeropkins Schlitten die Allee entlang.
    Als erster

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