Russisches Poker
alle Vorzeichen glaubt er – an die schwarze Katze, an den Hahnenschrei, an den Neumond. Nun muß ich dir aber sagen, mein Lieber, der Jeropkin hatte mitten im Bart, genau im Grübchen, eine wundersame Warze, ganz schwarz, daraus wuchsen drei rote Haare. An der Warze hing er, hielt sie fürn besonderes Merkmal. Er ließ extra den Backenbart wachsen und rasierte das Kinn aus, damit sie besser zu sehen war. Und dieses Zeichen hab ich ihm genommen. Ich war an dem Tag nicht ganz bei mir, hatte am Abend zuvor viel gesoffen. Das hab ich mir selten erlaubt, nur an Feiertagen. Aber meine Mutter war dahingegangen, und da hab ich mich getröstet, wie sich’s gehört. Na ja, und da hat mir die Hand gezittert, und das Rasiermesser ist scharf, aus Damaszener Stahl. So hab ich dem Jeropkin die Warze abgeschnippelt, und sie war beim Teufel. Wie der geblutet hat, und das Geschrei! ›Du hast mir mein Glück kaputtgemacht, du tolpatschiger Satan!‹ Geheult hat er, wollte die Warze wieder ankleben, aber sie hieltnicht, fiel runter. Da wurde er rasend und schrie nach Kusma. Der hat mich erst mal mit der Peitsche bearbeitet, doch das war dem Jeropkin zu wenig. ›Die Hände reiß ich dir aus‹, hat er gesagt, ›und jeden Finger einzeln.‹ Kusma hat sich meine rechte Hand geschnappt und sie in den Türspalt gesteckt und dann die Tür zugekracht. Es hat nur so geknirscht. Ich hab geschrien: ›Herr, verdirb mich nicht, ich muß verhungern, laß mir wenigstens die linke.‹ Aber nein, er hat mir auch die verstümmelt.«
Der Säufer schwenkte die Hand, und Momus sah erst jetzt seine Finger: sie waren steif und unnatürlich gespreizt.
Er schenkte dem Ärmsten nach und rüttelte ihn an der Schulter.
»Eine markante Gestalt, dieser Jeropkin«, sagte er gedehnt und dachte an die gedunsene Visage des Wohltäters. Solche mochte er gar nicht. Wenn er nicht weg müßte aus Moskau, könnte er diesem Vieh eine Lehre verpassen. »Wieviel bringen ihm denn seine Schenken und Schlafstellen?«
»Na, dreihunderttausend im Monat werden’s schon sein«, antwortete Jegor Tischkin und wischte ärgerlich die Tränen weg.
»Na, da übertreibst du aber, mein Bester.«
Der Bader fuhr hoch.
»Überhaupt nicht! Ich sag doch, ich war sein Mann, war oft in seinem Haus. Jeden Tag, den Gott werden läßt, geht sein Kusma ins ›Katorga‹, ins ›Sibirien‹, ins ›Durchgangsgefängnis‹ und in die andern Saufkneipen, die Jeropkin gehören. Jeden Tag rafft er bis fünftausend ein. Sonnabends wird ihm das Geld von den Schlafstellen gebracht. Allein im›Starkasten‹ wohnen ja vierhundert Familien. Und der Gewinn von den Nutten? Und der Reibach für die Hehlersore? Der Jeropkin packt das ganze Geld in einen Bastsack, und den hat er unter seinem Bett. Mit dem Sack ist er früher mal als Bettelmann nach Moskau gekommen, und nun bildet er sich ein, daß ihm der Sack seinen Reichtum beschert hat. Kurz und gut, er glaubt jeden Blödsinn wie ein altes Bauernweib. An jedem Ersten holt er seine Barschaft unterm Bett hervor und schafft sie zur Bank. Den schmutzigen Sack transportiert er in seiner vierspännigen Kutsche. Das ist sein allerwichtigster Tag. Es ist heimliches Geld, aus verbotnen Geschäften, darum hat er schlaue Buchhalter, die für das Ganze falsche Papierchen zusammenfingern. Manchmal bringt er dreihunderttausend zur Bank, manchmal auch mehr, je nachdem wieviel Tage der Monat hat.«
»Soviel Moos hat er im Hause und ist noch nie beraubt worden?« fragte Momus verwundert, der mit wachsender Aufmerksamkeit zuhörte.
»Das soll mal einer versuchen! Das Haus ist von ner Steinmauer umgeben, im Hof laufen Hunde frei rum, außerdem sind da Aufpasser und dieser Kusma. Dem seine Peitsche ist schlimmer als ne Pistole – damit kann er eine rennende Maus in zwei Hälften zerhacken. Von den Dieben traut sich keiner zu Jeropkin. Steht nicht dafür. Einmal, fünf Jahre ist das her, hat’s ein Auswärtiger versucht. Den haben sie hinterher beim Abdecker gefunden, Kusma hatte ihm mit der Peitsche die Haut in Streifen abgefetzt. Ganz und gar. Und was kam? Rein nichts. Jeropkin schmiert ja wohl die ganze Polizei. Er hat unermeßlich viel Geld. Bloß daß dieses Scheusal keinenNutzen davon haben wird, denn er verreckt an der Steinkrankheit. Nierensteine hat er, und kurieren kann ihn keiner außer dem Tischkin. Wissen die Doktors etwa, wie man einen Stein auflöst? Er hat nach mir geschickt. Komm, Jegoruschka, haben sie gesagt, er vergibt dir. Und Geld kriegst du,
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