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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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aber kurier ihn. Ich bin nicht hin! Er vergibt mir vielleicht, aber ich ihm nicht!«
    »Und gibt er den Armen oft Almosen?« fragte Momus, dem das Blut vom zunehmenden Jagdeifer schneller durch die Adern strömte.
    Durch die Tür der Schenke linste Mimi herein, der langweilig geworden war, doch er machte ihr Zeichen: Stör nicht, ich hab zu tun.
    Tischkin legte traurig den Kopf auf die Hand, der Ellbogen glitt unsicher über das schmuddelige Tischtuch.
    »Ja, oft. In den Großen Fasten wird er jeden Morgen über den Smolensker Markt gehen. Der Halunke hat da ein Kontor, in der Pljustschicha. Unterwegs steigt er aus dem Schlitten, verteilt Kopeken, insgesamt ein Rubel, und fährt weiter zum Kontor, um Tausende einzusacken.«
    »Hör zu, Jegor Tischkin«, sagte Momus. »Du tust mir leid. Komm mit mir. Ich geb dir ein Nachtlager und Geld zum Vertrinken. Erzähl mir ausführlicher von deinem bitteren Leben. Also, er ist abergläubisch, sagst du, der Jeropkin?«
    Eine Gemeinheit ist das, dachte Momus, während er den stolpernden Märtyrer zum Ausgang führte. Was hab ich für ein Pech in letzter Zeit! Februar ist der kürzeste Monat! Nur achtundzwanzig Tage! In dem Sack werden dreißigtausendweniger sein als im Januar oder März. Wenigstens ist schon der dreiundzwanzigste! Bis zum Monatsende ist’s nicht mehr lange hin, aber noch genug Zeit für eine sorgfältige Vorbereitung. Wir müssen die Koffer vom Bahnhof zurückholen.
    Eine große Operation stand bevor: Sie konnte mit einem Schlag die Moskauer Verluste ausgleichen.
    Tags darauf, zu Beginn der Großen Fasten, war der Smolensker Markt nicht wiederzuerkennen. Über Nacht schien der Zauberer Tschernomor über den Platz hinweggerast zu sein und alles weggeblasen, mit breitem Ärmel weggefegt zu haben vom Antlitz der Erde – die sündigen, versoffenen, singenden und grölenden Menschen, die Verkäufer von Honigtrank, Bliny und Piroggen, die verschiedenfarbigen Fähnchen, die Papiergirlanden und Luftballons. Übriggeblieben waren nur die leeren Marktbuden, die schwarzen Krähen auf dem von der Sonne aufgeweichten Schnee und die Bettler auf dem Vorplatz der Kirche Unserer Lieben Frau von Smolensk.
    In der Kirche wurde schon vor Tau und Tag eine Frühmesse zelebriert, und es begann das siebenwöchige zeremonielle Fasten, das mit Gottesdiensten auf das heilige Abendmahl vorbereitete. Der Kirchenälteste war schon dreimal durch die Menge der Andächtigen gegangen, um die Kollekte einzusammeln, und hatte dreimal die von Kupfer und Silber schwere Schüssel ins Allerheiligste gebracht, da erschien das wichtigste Gemeindemitglied, Exzellenz Samson Charitonowitsch Jeropkin persönlich. Er wirkte heutebesonders gnädig. Das große teigige Gesicht war glatt rasiert, das spärliche Haar sorgsam gescheitelt, der lange Backenbart geölt.
    Eine Viertelstunde lang kniete Jeropkin direkt vor der Heiligen Pforte, verneigte sich tief, bekreuzigte sich weit ausholend. Der Geistliche kam mit einer Kerze heraus, schwenkte das Weihrauchfaß über Jeropkin, murmelte: »Gott, Herr meines Lebens, vergib mir Sünder …« Ihm folgte der Älteste mit der leeren Schüssel. Der Betende erhob sich von den Knien, klopfte die Schöße seines Pelzmantels ab und legte dem Ältesten drei Hunderter hin, so hatte er es eingeführt für den ersten Tag der Großen Fasten.
    Der freigebige Mann trat hinaus auf den Vorplatz, wo die Bettler ihn schon erwarteten. Sie streckten die Hände aus, blökten, drängten. Aber Kusma wippte nur kurz mit der Peitsche, da hörte das Gedrängel auf. Die Armen traten in zwei Reihen an wie Soldaten zur Parade. Überall graue Lumpen, nur links blinkte etwas Weißes.
    Jeropkin kniff die verquollenen Äuglein ein und sah inmitten der Bettler einen schönen Knaben stehen. Große lasurblaue Augen. Feines reines Gesicht. Das goldblonde Haar war kurz geschnitten (oh, das hatte Geschrei gegeben, Mimi hatte sich nicht von ihren Locken trennen wollen). Bekleidet war der Wunderknabe nur mit einem schneeweißen Hemd, und doch war ihm nicht kalt (Kunststück, unterm Hemd trug er eine Weste aus erstklassiger Angorawolle, und Mimis zarte Brust war mit einem warmen Flanelltuch umwickelt). Die Hose aus Baumwollsamt, die Schuhe aus Lindenbast, die Fußlappen hell und sauber.
    Während Jeropkin seine Kopeken verteilte, blickte er immer wieder hin zu dem sonderbaren Bettler, und als er vor ihm stand, gab er ihm nicht eine Münze, sondern zwei.
    »Da hast du, bete für mich.«
    Der Goldblonde nahm

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