Russisches Requiem
und wenn Sie wollen, verrate ich es Ihnen hier draußen, wo es keine Zeugen gibt. Aber sollte man mich in Zukunft je darauf ansprechen, werde ich alles abstreiten. Das heißt, ich will von Ihnen wissen, ob ich mich auf Ihre Diskretion verlassen kann. Natürlich könnte ich auch einfach zum Telefon greifen, und man würde Sie anweisen, mich nicht mehr zu behelligen. Aber ich möchte Ihnen gerne helfen. Wenn es die Person ist, die ich meine, dann war sie ein anständiger Mensch. Ich kannte sie nicht besonders gut, aber sie hat auf keinen Fall so einen grausamen Tod verdient, wie Sie es beschrieben haben. Was halten Sie von meinem Angebot?«
Koroljow nickte lebhaft. »Erzählen Sie mir bitte, was Sie wissen, Mr Schwartz. Nichts davon gelangt in die Akte.« Er streckte die Hand aus, um die Vereinbarung zu bekräftigen.
Schwartz schlug ein. »Als Erstes nennen Sie mich bitte Jack.«
Koroljow hielt das zwar für ein wenig voreilig, schließlich hatten sie sich gerade erst kennengelernt. Aber wahrscheinlich war in Amerika alles anders. Höflichkeit und Etikette waren für Kapitalisten wohl eher unwichtig, man konnte schließlich nicht erwarten, dass sie so kultiviert waren wie Sowjetbürger. »In Ordnung, Jack. Und nennen Sie mich bitte Alexei.« Das kam ihm zwar komisch vor, aber diese Geste war unter diesen Umständen wohl angebracht.
Der Amerikaner schielte auf die Uhr und schien die Vereinbarung schon wieder zu bedauern. Schließlich seufzte er und begann schnell zu sprechen. »Ich glaube, die Frau heißt Nancy Dolan, sie ist Amerikanerin.«
»Nancy Dolan?« Koroljow fragte sich, wer das sein sollte. Schließlich hatte er am Morgen die Papiere von Mary Smithson gesehen, deren Fotografie genau zu der Toten passte.
»Ja, Nancy Dolan. Zumindest war das der Name, unter dem ich sie kennengelernt habe. Wissen Sie, es ist so: Bei meinen Besuchen hier vertrete ich eine Reihe von Kunden, vor allem Kunstgalerien, Museen und Sammler, aber auch einige andere. Das Ministerium für Staatssicherheit weiß, dass ich sie repräsentiere, und meine Klienten wissen, bei wem ich kaufe. Aber wenn das allgemein bekannt würde, wäre es für alle Beteiligten peinlich.«
»Entschuldigen Sie, aber das begreife ich nicht ganz.«
»Ich handle überwiegend im Namen von Emigranten, ehemaligem Adel und so weiter, aber auch im Namen der orthodoxen Kirche. Darauf wollten Sie doch vorhin hinaus, als Sie die Ikonen erwähnt haben.«
Koroljow versuchte, sich nichts von seiner Überraschung anmerken zu lassen.
»Nun, manchmal bekomme ich den Auftrag, nach einem bestimmten Artikel zu forschen, der sich nach Kenntnis eines Klienten in sowjetischem Besitz befindet. Ein Erbstück, ein Gemälde, Schmuck. Sollte es tatsächlich vorhanden und der Käufer zu Diskretion und Bezahlung in ausländischen Devisen bereit sein, sind die Vertreter der sowjetischen Seite einem Verkauf meistens nicht abgeneigt. Bei der Kirche verhält es sich ein wenig anders. Sie sucht nach Gegenständen von religiöser Bedeutung, häufig Ikonen, aber auch nach anderen Dingen wie Reliquien, Büchern, Pokalen. Ich finde heraus, was verfügbar ist, und erhalte entsprechende Anweisungen. Aber für die Kirche suche ich nur selten nach einem bestimmten Objekt. Können Sie mir noch folgen?«
Diese Schilderung war mit dem vereinbar, was Koroljow von Gregorin erfahren hatte. Allerdings wunderte er sich immer noch, dass der Staat Wertgegenstände an frühere Volksunterdrücker verkaufte.
»Gut. Also, wie gesagt, als Vertreter der Kirche habe ich meist keinen festen Auftrag. Aber auf dieser Reise ist es anders. Das Ministerium hat eine gewisse Ikone, zumindest nach Informationen von Gewährsleuten, und diese Ikone möchte die Kirche haben. Und zwar unbedingt. Ich halte es für möglich, dass Nancy Dolan hier war, um nach dieser Ikone zu suchen.«
Koroljow ließ sich das Gehörte durch den Kopf gehen. Welche Ikone war zwei Menschenleben wert? »Erzählen Sie mir bitte von dieser Ikone, Jack.« Noch immer ging ihm der Name schwer über die Zunge.
»Das kann ich nicht. Die Angelegenheit ist höchst brisant, gelinde gesagt. Auf jeden Fall ist die Ikone wichtig, wie Sie sich unschwer denken können.«
»Eine Wunderikone?«
»Guter Versuch, aber mehr kann ich wirklich nicht verraten. Nur dass ich bereit bin, eine beträchtliche Summe dafür zu bezahlen, es sei denn, es handelt sich ganz offensichtlich um eine Fälschung. Meine Verbindungsleute hier wollen nicht bestätigen, dass sie sie
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