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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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Klassensolidarität mehr zu geben.
    »Ein Emka also.« Koroljow überlegte, wie viele es davon wohl in Moskau gab. Dann klopfte es, und hinter ihm öffnete sich die Tür. Als er sich umwandte, erblickte er die Schreibkraft von gestern Abend mit einem Stapel Blättern.
    Unsicher schaute sie Semjonow an, doch dann erkannte sie Koroljow. »Genosse Koroljow? Anna Solowjowa. Hier habe ich einige Verhörprotokolle von Hauptmann Brusilow. Einer seiner Männer hat sie abgeliefert. Ich dachte, es ist vielleicht dringend, da habe ich sie gleich selbst heraufgebracht. Hier.«
    »Vielen Dank.«
    »Gern geschehen, Genosse. Vor allem wenn es hilft, den Mörder dieses armen Mädchens zu fassen.« Sie lächelte zaghaft. »Tut mir leid, Genosse, Sie haben gesagt, der Bericht ist nicht geeignet für die jüngeren Schreibkräfte, also habe ich ihn selbst abgetippt. Das arme Kind, so was Furchtbares.«
    Sie war ungefähr fünf Jahre jünger als er, mit hellbraunem Haar, rundem Gesicht, braunen Augen, ein wenig verhärmt vielleicht, doch immer noch eine gut aussehende Frau.
    »Wir tun unser Bestes, um ihn zur Strecke zu bringen, glauben Sie mir. Die Protokolle nehmen wir uns gleich vor; es kann gut sein, dass etwas Nützliches drinsteht. Danke, dass Sie eigens hochgekommen sind.«
    Mit einem nervösen Nicken verschwand sie durch die Tür.
    »Ah, individuelle Bevorzugung. Ein wenig gegen den Kollektivgeist, würden manche vielleicht sagen.«
    Stirnrunzelnd wandte sich Koroljow Semjonow zu. »Nun, ist das alles, was Sie für mich haben? Ein paar Wendekreise und die verschwommenen Erinnerungen eines betrunkenen Nachtwächters?«
    Semjonows Grinsen wurde breiter. »Nein, noch was anderes. Die Zigarettenschachtel. Leider keine Fingerabdrücke, aber ich kenne die Verkaufsstellen.« Semjonow deutete auf ein Blatt Papier.
    Koroljow streckte die Hand danach aus. »Sie sind ja ein richtiger Stoßarbeiter heute.« Abgesehen vom Metropol und den anderen zentral gelegenen Hotels waren alle Verkaufsstellen geschlossene Läden, die nur für Parteimitglieder oder privilegierte Fachkräfte aus bestimmten Projekten oder Regierungsorganen zugänglich waren. Auf der Liste standen unter anderem die Läden des NKWD und der Moskauer Parteizentrale. »Ihre Bekannte muss gute Beziehungen haben oder sehr wohlhabend sein, wenn sie diese Marke raucht.«
    Semjonow zuckte die Achseln. »Die Marke hat ein gewisses Prestige, aber es gibt auch andere Bezugsquellen, die nicht unbedingt >offiziell< sind.«
    »Gut gemacht.« Koroljow blätterte die Liste noch einmal durch. »Hervorragende kriminalistische Arbeit. Die Richtung, die das Ganze nimmt, will mir zwar nicht recht gefallen, aber es ist auch nicht unbedingt eine Überraschung.«
    »Doch das ändert nichts, oder? Wenn es ein schwarzes Schaf in der Partei gibt, dann muss er seine gerechte Strafe finden.«
    »Natürlich, natürlich. Doch wir müssen vorsichtig sein, die Sache wird kompliziert. Auch ich habe heute einiges erfahren, was ich Ihnen mitteilen muss.« Koroljow erzählte ihm von Mary Smithson, Nancy Dolan und der geheimnisvollen Ikone.
    »Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, wie es jetzt weitergeht«, schloss er. »Aber eins steht fest: Die Ermittlungen in diesem Fall sind gefährlich. Möglicherweise müssen wir einigen Leuten auf die Zehen treten - Leuten von politischer Bedeutung. Wer auch immer hinter dieser Sache steckt, wahrscheinlich haben wir es mit einem Verräter der übelsten Sorte zu tun. Ich habe mir alles genau durch den Kopf gehen lassen, Genosse, und ich möchte, dass Sie darüber nachdenken, ob Sie sich nicht lieber aus diesem Fall zurückziehen wollen. Sie sind zu jung, Wanja. Dieses Risiko darf ich nicht eingehen.«
    »Ach kommen Sie, Genosse.« Semjonow war empört. »Wie alt waren Sie, als Sie im Schützengraben lagen? Der Krieg gegen die Deutschen war bestimmt um einiges gefährlicher als eine Morduntersuchung in Moskau, selbst wenn sie politische Dimensionen hat. Wir schreiben das Jahr 1936 in der Sowjetunion, Genosse, und wir sind Milizermittler. Wir dürfen vor nichts Angst haben.«
    »Darum geht es nicht, und die Situation damals war eine ganz andere.«
    Semjonow schob das Kinn vor. »Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, Alexei Dimitrijewitsch, aber mir ist völlig egal, wer die Täter sind. Sollte sich herausstellen, dass sie der Partei angehören, umso besser. Parteimitglieder, die ein Verbrechen begehen, sind schlimmer als gewöhnliche Kriminelle, weil sie nicht nur

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