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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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hole ihn. Nehmen Sie bitte so lange am Springbrunnen Platz, er wird gleich hier sein.«
    Der Filmstar deutete auf eine Gruppe roter Samtmöbel, neben der Wasser spritzte und glitzerte. Koroljow ging hinüber und setzte sich neben eine halbnackte Goldnymphe mit einem deplatziert wirkenden roten Stern. Er versuchte sich zu entspannen, aber dann fiel ihm auf, dass seine Walenki ein scharfes Aroma verströmten, das an ein nasses Pferd erinnerte. Um seine Füße hatten sich auf dem blankpolierten Marmor kleine Matschpfützen gebildet. Wenigstens waren sie nicht gelb. Er fühlte sich immer unwohler in seiner Haut.
    Nach einigen Minuten, die Koroljow hauptsächlich damit verbrachte, sich an einen anderen, weit entfernten Ort zu wünschen, näherte sich ein kleiner, rundlicher Mann mit ausgestreckter Hand. Unter dem präzise geformten dünnen Oberlippenbärtchen funkelten seine Zähne. Am Kragen seines Cutaways blinkte ein Parteiabzeichen. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen, Genosse. Nikolai Wladimirowitsch Krylow, ich bin der Geschäftsführer. Bitte kommen Sie. Ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung.«
    Koroljow folgte den blitzenden Lederschuhen des Geschäftsführers, die klackend auf eine Spiegelwand zusteuerten. Auf Krylows zuversichtlichen Druck hin öffnete sich eine verborgene Tür zu einem bequem eingerichteten Büro. Neben einem Schreibtisch mit grüner Platte gruppierten sich zwei Ledersessel und ein dazu passendes Sofa um ein Glastischchen.
    Krylow winkte Koroljow zur Couch. »Möchten Sie einen Kognak, Genosse? Französisch, einfach köstlich.« Er griff nach einer Karaffe.
    Koroljow wollte schon ablehnen, da fiel sein Blick auf eine Messinguhr auf dem Kaminsims. Schon vier Uhr, und er hatte einen schweren Tag hinter sich. »Französisch, sagen Sie? Ja, warum nicht.«
    »Wirklich ausgezeichnet.« Krylow schenkte zwei kleine Gläser randvoll. Nachdem er eines davon Koroljow gereicht hatte, nahm er vorsichtig ihm gegenüber Platz. »Auf Ihr Wohl, Genosse.«
    »Prost«, erwiderte Koroljow.
    Sie tranken einen guten Schluck, aber nicht alles auf einmal. Schließlich waren sie kultivierte Sowjetbürger und keine Tiere.
    »Nun, wie kann ich Ihnen behilflich sein, Hauptmann Koroljow?« Der Eifer in Krylows blassem Gesicht wirkte eine Spur übertrieben.
    Koroljow hielt es für sinnlos, lange um den heißen Brei herumzureden. »Sie haben hier einen Gast namens Schwartz. Mit dem würde ich gern reden.«
    Krylow nickte bedächtig. Seinen dunklen Augen war keine Reaktion anzumerken. Nach längerer Überlegung antwortete der Geschäftsführer: »Darf ich fragen, um was es bei Ihrer Anfrage geht? Wir arbeiten natürlich immer bereitwillig mit Vertretern des Ministeriums für Staatssicherheit zusammen, aber unsere Gäste haben auch Anspruch auf ein gewisses Maß an Diskretion.«
    Koroljow war soeben auf sehr höfliche Weise daran erinnert worden, dass er sich als bescheidener Hauptmann der Miliz in das Revier des NKWD vorgewagt und dies gefälligst auch zu begründen hatte. Er ließ den verbliebenen Kognak im Glas kreisen und trank es dann in einem Zug leer. In seinem Magen breitete sich angenehme Wärme aus. »Ich arbeite an einem Mordfall, Genosse Krylow. Mir wurde von höherer Stelle im Ministerium nahegelegt, mit diesem Schwartz zu sprechen.«
    Krylow stand auf, um Koroljow nachzuschenken. »Wir sind angewiesen, gerade diesen Gast vor allen Behelligungen zu schützen. Meinen Sie ...«
    Koroljow ließ sich nicht lange bitten. »Könnte ich bei Ihnen kurz telefonieren, Genosse Krylow? Ich stimme mich noch einmal mit dem Kollegen bei der Staatssicherheit ab, damit ich auch bestimmt niemandem zu nahe trete.«
    Krylow setzte ein erleichtertes Lächeln auf. »Selbstverständlich, gern. Lassen Sie sich von der Telefonistin weiterverbinden, und keine Sorge, sie hört nicht zu. Sie wird sich hüten - andererseits ...« Wieder ließ er den Satz unvollendet und trat mit einem leichten Achselzucken hinaus.
    Koroljow begriff. Die Telefonistin hörte zwar nicht zu, aber dafür wahrscheinlich jemand anders. Kein schlechter Kerl, dieser Krylow, trotz seiner Kostümierung. Er hob ab und ließ sich erst zur Lubjanka und dann zu Stabsoberst Gregorin durchstellen.
    Gregorin meldete sich mit müder Stimme. »Genosse Koroljow? Im Metropol, wie ich annehme. Ist es nicht ein wenig früh zum Ausgehen?«
    »Rein beruflich, Genosse Oberst.« Koroljow ließ sich nichts von seiner Verwunderung darüber anmerken, dass Gregorin wusste, wo

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