Russisches Requiem
einem schmalen, goldenen Feuerzeug anzündete. »Nein, aber mein Bekanntenkreis in Moskau ist auch nicht sehr groß.« Verwunderung malte sich auf seinem Gesicht. »Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich diese Frau kennen könnte? Ich bin nur zweimal im Jahr hier und bleibe meistens nur eine Woche. Und ich treffe mich praktisch nur mit Geschäftsleuten.«
»Sie sprechen hervorragend Russisch, Mr Schwartz. Ich könnte mir vorstellen, dass ein gut aussehender Mann wie Sie auch bei diesen kurzen Besuchen genügend weibliche Bewunderer in Moskau findet.« Koroljow verkehrte nicht im Metropol, aber er war schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Er wusste von den russischen Frauen, die sich Ausländern an den Hals warfen, in der verzweifelten Hoffnung auf ein neues Leben an einem Ort wie New York, wo ihnen mit ihren Träumen von einem kapitalistischen Leben bestimmt ein böses Erwachen bevorstand.
Schwartz runzelte die Stirn. »Die Geschäfte hier nehmen meine ganze Zeit in Anspruch, fürchte ich. Aber noch einmal, wie kommen Sie auf die Idee, dass diese Frau eine Bekannte von mir war?«
»Der Hinweis eines Dritten. Von dieser Person weiß ich auch, dass Sie mir vielleicht etwas über den Export von Wertgegenständen, auch religiöser Art, berichten können. Ikonen vielleicht.« Wieder beobachtete Koroljow sein Gegenüber genau, doch diesmal erfolgte keine Reaktion.
Schwartz warf einen kurzen Blick auf die Uhr. »Leider sagt mir die Beschreibung der Frau nichts, Hauptmann Koroljow. Und ich bin zwar durchaus bereit, Ihnen etwas über den Export von Kunstwerken und Ähnlichem zu erzählen, aber im Moment müssen Sie mich entschuldigen. Ich habe eine Verabredung um fünf im Hotel Moskwa. Können wir einen anderen Termin vereinbaren?« Er lächelte entschuldigend und deutete auf Mantel und Aktentasche.
»Selbstverständlich, es ist ja nur ein inoffizielles Gespräch. Ich möchte Sie nicht aufhalten.«
»Ich würde Ihnen wirklich gern helfen.« Schwartz schien zu überlegen. »Hören Sie, warum begleiten Sie mich nicht ein Stück? Da können Sie mir mehr über den Fall verraten und meinem Gedächtnis vielleicht auf die Sprünge helfen. Und ich erkläre Ihnen, was es mit dem Antiquitätenhandel auf sich hat.«
Als sie draußen über den Teatralnaja-Platz schritten, wandte sich Schwartz an Koroljow. »Und wie ist sie eigentlich gestorben, dieses namenlose Opfer?«
»Es war kein leichter Tod. Wollen Sie wirklich Einzelheiten hören?«
Schwartz nickte. »Ja, bitte. Natürlich nur, wenn es Ihnen gestattet ist.«
»Sie wurde gefoltert. Auf üble Weise. Und zum Teil auch verstümmelt. Einige Körperteile wurden abgetrennt. Außerdem wurde sie anscheinend mit einem elektrischen Gerät verbrannt.«
Schwartz verlangsamte das Tempo, ehe er schließlich ganz stehen blieb. Vorsichtig stellte er die Aktentasche ab, schob die Hände in die Taschen und schaute gedankenverloren hinüber zum Bolschoi-Theater. »Wissen Sie, wer es getan hat?«
Schwartz wirkte aufrichtig betroffen, und Koroljow beschloss, ihm einen Anreiz zur Zusammenarbeit zu geben. »Wir stehen mit den Ermittlungen leider erst am Anfang. Wenn sich nichts Neues ergibt, müssen wir damit rechnen, dass der Mörder seiner Strafe entgeht. Wir haben kaum noch Spuren, die wir verfolgen können.«
Schwartz schien zu überlegen.
»Ziemlich kalt, nicht?«, bemerkte Koroljow nach einer Weile. Inzwischen war er völlig sicher, dass der Antiquitätenhändler die Tote kannte.
»Ja, und ich muss gestehen, dass ich schlecht gerüstet bin. Eigentlich hatte ich gehofft, dem Winter ganz aus dem Weg gehen zu können, aber er ist schon früh hereingebrochen.« Schwartz musterte Koroljow und zwinkerte.
Koroljow senkte den Blick, weil er fürchtete, seine Augen könnten sein Misstrauen verraten haben.
»Sie wissen natürlich, dass ich amerikanischer Staatsbürger bin.«
»Ja.« Koroljow wunderte sich über diese merkwürdige Äußerung.
»Ich reise zweimal im Jahr hierher, um vom russischen Staat Gegenstände von historischer und künstlerischer Bedeutung zu erwerben. War Ihnen das bekannt?«
»Ich glaube, es gibt niemand anders, bei dem man so etwas kaufen kann.«
Schwartz lächelte wie über einen raffinierten Scherz. »Wohl nicht. Jedenfalls zahle ich harte Devisen und ziemlich große Beträge, und ich wickle meine Geschäfte mit dem Ministerium für Staatssicherheit ab. Ihre Miliz gehört auch dazu, nicht?«
»Richtig.«
»Also, ich glaube, ich weiß, wer diese Tote ist,
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