Russisches Requiem
Emka handelt. Vielleicht möchte Genosse Larinin bei seinen früheren Kollegen von der Verkehrspolizei nachfragen, ob sie die Suche eingrenzen können. Wenn wir zumindest eine ungefähre Vorstellung hätten, wie viele Emkas es in Moskau gibt, welchen Organisationen sie zugeteilt wurden und ob in den fraglichen Nächten irgendwelche identifizierbaren Fahrzeuge in der Nähe des Stadions oder der Kirche beobachtet wurden ... Alles in dieser Richtung wäre nützlich.«
Der General nickte zustimmend.
»Genosse Semjonow soll bei den Verhörten nachhaken«, fuhr Koroljow fort. »Außerdem haben sich einige Straßenkinder in der Gegend herumgetrieben, als die Leiche der Nonne gefunden wurde - ich werde mal hingehen, vielleicht kann ich sie heute Vormittag aufstöbern.«
»Was ist mit Freund Tesak?«
Semjonow und Koroljow wandten sich zu Larinin um.
»Ich habe mir die Verbrecherbilder vorgenommen - nichts bis jetzt. Ich werde den anderen Ermittlern die Autopsiebilder zeigen, sobald sie entwickelt sind, vielleicht erkennt ihn jemand.« Larinin klang müde.
»Und diese andere Frau, Dohna? Oder Dolan?«, fragte Popow.
»Ich werde Schwartz die Fotografie vorlegen.« Koroljow überlegte sich seine nächsten Worte genau. »Wenn sie in Verbindung mit Mary Smithson steht, sollten wir in aller Stille nach ihr suchen. Sie ist Amerikanerin, zumindest nach dortiger Auffassung, aber wahrscheinlich hat sie eine russische Identität angenommen. Trotzdem könnten wir uns diskret an den Orten umschauen, wo Amerikaner verkehren. Die Botschaft beispielsweise und die Hotels.«
Popow unterbrach ihn mit erhobener Hand. »Nein, im NKWD-Revier werden wir nicht das Bein heben - glauben Sie mir, die riechen das sofort. Schlagen Sie einen Bogen um Hotels und Botschaften. Lassen Sie sich von Gerginow größere Abzüge machen, damit können wir sie auf den Revieren als vermisst melden. Weiter dürfen wir nicht gehen. Und alles schön unauffällig.«
»Ich habe ihn bereits darum gebeten«, erwiderte Koroljow. »Wie steht es mit Informanten, die Kontakte zum Kult haben?«
»Ich schaue, was sich machen lässt. Glauben Sie, Ihr Schriftstellerfreund kann wirklich ein Treffen mit den Banditen arrangieren?«
»Einen Versuch ist es wert. Wenn Graf Kolja redet, kann er vielleicht einige Dinge erklären. Zum Beispiel, was es mit der Ikone auf sich hat und warum es mit Tesak so ein schlimmes Ende genommen hat.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Bandit mit Ihnen spricht«, warf Larinin ein.
Statt der erwarteten Geringschätzung entdeckte Koroljow echte Zweifel in Larinins Gesicht. »Ich könnte ihm Tesaks Leiche anbieten.«
Larinins Kinn sackte den knappen Millimeter nach unten, den es benötigte, um den Hals zu erreichen.
General Popow knurrte nur und deutete auf Semjonow. »Wenn es ein Treffen gibt, nehmen Sie ihn mit. Und entsichern Sie bitte Ihre Waffen. Überlassen Sie ihm die Leiche nur im Austausch gegen brauchbare Auskünfte. Sonst noch was?«
Koroljow überlegte kurz, ob er seinen nächtlichen Beobachter und die Beschatter vom Vortag erwähnen sollte. Aber das war sinnlos. Er hatte nichts Konkretes zu berichten. Nur eine Ahnung, deren Bedeutung nicht einmal ihm selbst klar war.
»Also los.«
Auf Popows Kommando hin erhoben sich die drei Kriminalermittler. Draußen im Gang schüttelte Larinin beunruhigt den Kopf. »Ich mache mit den Verbrecherbildern weiter. Eins nach dem anderen.«
Sein trauriges, bleiches Gesicht erinnerte Koroljow an einen Zirkusclown.
Als Koroljow und Semjonow im Revier in der Rasin-Straße eintrafen, hatte sich der Himmel grau verdunkelt und wurde von Minute zu Minute schwärzer. Der vorhangartige Nieselregen verwandelte den verbliebenen Schnee in schmutzige Eisklumpen, und Koroljows Mantel war dank der zerbrochenen Windschutzscheibe des Ford völlig durchweicht.
Beim Aussteigen nickte er seinem Kollegen zu. »Wir treffen uns wieder hier.« Er wischte sich die Nässe aus dem Gesicht. »Wenn die Zeugen was Wichtiges aussagen, soll Brusilow sie festhalten, bis ich zurück bin.«
Der Regen störte Koroljow nicht. Gegen das Wetter konnte man sowieso nichts ausrichten. Es war, wie es war. Vielleicht war die sowjetische Wissenschaft in Zukunft imstande, es zu steuern, es an- und abzuschalten oder es einzustellen wie eine Heizung. Doch noch war es etwas, worauf nur Gott Einfluss hatte, und heute hatte Gott eben beschlossen, den Fabrikdunst aus dem Himmel über Moskau zu spülen und ihn als trübe Pfützen und
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