Russisches Requiem
Er drehte sich um und bemerkte einen nahenden Pulk bunt gekleideter Jockeys, die sich unter dem schiefergrauen Himmel deutlich von dem dunklen Untergrund abhoben. Umgeben von einer riesigen Gischtwolke aus Wasser und Schlamm, trieben die Reiter ihre Pferde an, und das Brüllen der Menge wurde so laut, dass es die galoppierenden Hufe übertönte. Drei Pferde lösten sich aus der Hauptgruppe, und in dem allgemeinen Tosen vermischten sich Jubel und Bestürzung, als die spritzende Prozession vorüberraste. Mit heftig zuckenden Gerten rangen die vorderen zwei Jockeys um den Sieg.
Nach dem Rennen zerstreute sich die Menge fast völlig. Einige Glückliche schwenkten Gewinnlose und bahnten sich ihren Weg zu den Wettschaltern, während andere zur rückwärtigen Kneipe strebten, um Trost im Wodka zu finden. Koroljow stieg zur zweiten Sitzebene hinauf und suchte sich einen Platz auf der Höhe des Zielpfostens, wie Babel ihn gebeten hatte. Dort machte er es sich bequem und aß sein Brot auf. Zuletzt zündete er sich eine Zigarette an und inhalierte mit stiller Befriedigung den Rauch. In seinen feuchten, aber trotzdem noch warmen Mantel geschmiegt, blickte er sich nach der untersetzten Gestalt des Autors um.
Damit war er noch immer beschäftigt, als sich Babel erfreut lächelnd neben ihm niederließ. »Sie haben mich nicht kommen sehen.«
»Ich habe nicht nach Ihnen Ausschau gehalten«, log Koroljow. »Ich dachte mir, Sie finden mich sowieso leichter als umgekehrt.«
»Haben Sie für mich auch eine?« Babel deutete auf die Zigarette.
»Sicher.« Koroljow streckte ihm die soeben gekaufte Packung hin. »Und, wie ist es mit Kolja gelaufen?«
»Gar nicht schlecht. Anscheinend könnt ihr es beide gar nicht mehr erwarten, euch kennenzulernen. Da hat man es als Vermittler nicht schwer. Außerdem ist er bestens über Sie informiert.«
»Über mich?« Koroljow wunderte sich, wieso sich ein Bandit wie Kolja für einen Durchschnittskriminaler wie ihn interessierte.
»Offensichtlich.«
»Weiß er von Tesak? Dass ich den Mord untersuche?«
»Auf jeden Fall weiß er, dass Tesak tot ist. Ich erzähle Ihnen, wie das Gespräch verlaufen ist. Ich habe ihn am Paradering gesehen und ihn gegrüßt. Da hat er mich zu sich gewinkt. >Ich wollte mit Ihnen reden<, fing ich an. >Ich auch<, war seine Antwort. Darauf ich: >Nun, ich hätte einen Vorschlag für Sie.< Und er: >Lassen Sie hören, ich glaube, ich kann es mir schon denken.< Ich: >Mein Vorschlag dreht sich um einen Polizisten, der sich mit Ihnen unterhalten möchte.< >Ihr Nachbar Koroljow?< Ich gebe zu, dass man mich danach mit einer Feder hätte umwerfen können. Aber Kolja hat mich einfach nur angelächelt, als wollte er sagen: >Wenn Sie in Ihrem Bad einen Furz lassen, Babel, dann erfahre ich davon.< Das war ziemlich beunruhigend, das können Sie mir glauben.«
»Erzählen Sie weiter«, bemerkte Koroljow trocken.
»>Sie wissen von Tesak und wie er gestorben ist?<, frage ich, und Kolja nickt auf so eine langsame Art, der ich entnehme, dass er nicht nur davon weiß, sondern es dem edlen Spender mit gleicher Münze heimzuzahlen gedenkt. >Nun, Koroljow möchte Ihnen ein paar Fragen stellen. Er gibt Ihnen Informationen im Austausch gegen Informationen, und wenn Sie die Leiche wollen, lässt sich das arrangieren. Die Sache ist sicher für Sie, keine Falle. Er gibt Ihnen sein Ehrenwort.< Sein Blick trifft mich, ein harter Blick, der sich in einen bohrt und auf den Magen drückt, bis man glaubt, er ist völlig leer. Er fragt sich, ob er mir trauen kann, und dann erzählt er mir mit den Augen, was mit mir passiert, wenn etwas schiefläuft. Augen können sehr ausdrucksvoll sein. >Wo und wann?<, fragt er, nachdem er mich ungefähr zwei Stunden lang angestarrt hat, als wollte er mich zu Hackfleisch für seinen Hund verarbeiten. >Das liegt bei Ihnen<, antworte ich wie besprochen. >Koroljow ist klar, dass Sie sich sicher fühlen wollen, also entscheiden Sie über Ort und Zeit.< Da lacht er. >Ich fühle mich immer sicher, das können Sie ihm ausrichten. Heute. Um halb zwei. Hier. Dann können wir reden.< Damit hat er mich weggeschickt.«
»Gut gemacht, Isaak Emmanuilowitsch.«
»Ach, nennen Sie mich einfach Isaak. Ehrlich gesagt, war es eine sehr aufregende Erfahrung für mich. Haben Sie einen Plan?«
»Wir warten ab, ob er auftaucht, dann sehen wir weiter.«
Schweigend rauchten sie ihre Zigaretten und schauten zu, wie die Leute zu ihren Plätzen zurückkehrten. Als Nächstes stand ein
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