Russisches Requiem
Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen stehen Sie im Ruf, ehrlich zu sein. Und dann hat sich herausgestellt, dass Sie mit uns reden wollen, was immer ein guter Anfang ist.«
Koroljow dachte kurz nach, um sich darauf zu besinnen, was er von Kolja wollte und was er umgekehrt bereit war, ihm zu geben. Er hielt es für unangebracht, lange Umschweife zu machen. »Ich kann veranlassen, dass Sie Tesaks Leiche bekommen, und Ihnen einiges über seinen Tod verraten, aber im Gegenzug brauche ich auch Informationen von Ihnen.«
»Tesak? Also, ganz unter uns, Hauptmann Koroljow, der Trottel hat es nicht anders verdient. Auf dem Schädel dieses Kerls hätte man Holz spalten können, ohne dass er es gemerkt hätte. Trotzdem, seine Leiche hätten wir gern. Seine Frau gehört zu uns. Der Austausch von Informationen ist allerdings interessanter. Sind Sie dazu befugt?«
»Ich bin autorisiert, mit Ihnen zu sprechen. Natürlich mit Einschränkungen. Auf jeden Fall bekommen Sie Tesaks Leiche. Über sein Leben zu urteilen ist Gottes Sache, aber Sie können ihn beerdigen wie einen Christen, falls Sie das vorhaben.«
Kolja wies nach hinten, wo Heuballen aufgeschichtet waren. »Setzen wir uns und trinken einen, Alexei Dimitrijewitsch.«
Als sie Platz genommen hatten, hob Kolja einen Flachmann hoch, der silbern im Lampenlicht blitzte, als er ihn sacht wie einen Angelköder schüttelte.
Seufzend griff Koroljow nach der Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Er zitterte leicht, als ihm der starke Schnaps durch die Kehle lief. »Entweder ist mir kalt, oder der Teufel ist gerade über mein Grab gelaufen. Wenn ich mir überlege, wen ich vor mir habe, kommt mir der Teufel fast wahrscheinlicher vor.«
Kolja lachte leise. »Man hat mich schon schlimmer beschimpft.«
Koroljow zog seine Zigaretten aus der Tasche. Sie sahen ein wenig feucht aus, trotzdem bot er Kolja die Packung an, der eine nahm.
»Bei diesen Morden geht es also um eine Ikone, richtig?« Während er langsam den Rauch ausatmete, wartete Koroljow auf eine Reaktion. Das Nikotin und der Wodka wogten bis hinunter zu seinen Zehen.
Koljas Nicken war alles andere als eindeutig. »Erzählen Sie mir, wie weit Sie mit Ihren Ermittlungen sind. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass es sich für Sie lohnen wird.«
»Und ich kann Ihnen vertrauen?«
»Ich bin nicht der Typ, der andere bei der Tscheka verpfeift. Da können Sie ganz sicher sein. Und es ist in unser beider Interesse, dass Sie die Mörder finden, glauben Sie mir.«
Irgendwie musste die Unterhaltung ja in Gang kommen. Koroljow verriet ihm nicht alles, aber er erzählte ihm, wer die Tote war, von Schwartz und vom Interesse des NKWD an der Untersuchung. Letztlich sagte er mehr, als er beabsichtigt hatte.
Danach reichte ihm Kolja erneut den Flachmann. »Die Folter - meinen Sie, das war professionell?«
»Ja.«
»Tscheka?«
»Wer weiß?«
»Haben sie geredet?«
»Vielleicht. Die Nonne eher nicht. Sie ist an der Folter gestorben. Tesak wurde erschossen, ich nehme also an, dass sie mit ihm fertig waren.«
Kolja dachte offenbar darüber nach, was es bedeutete, dass Tesaks Widerstand gebrochen worden war. Nach einer Weile zuckte er die Achseln und spuckte auf den Boden. »Tesak hatte eine harte Schale, aber einen weichen Kern. Ich denke, er hat geredet.« Er sah Koroljow an. »Babel sagt, Sie sind gläubig.«
»Ich weiß nicht, wie er auf diese Idee kommt.« Unwillkürlich spähte Koroljow zur Stalltür. Am liebsten hätte er dem verdammten Schreiberling mit einem strafenden Blick die Haare von seinem wichtigtuerischen Schädel gesengt.
»Trotzdem haben Sie unter den Bodendielen in Ihrem Zimmer eine Bibel und sagen, dass Gott über Tesaks Leben urteilen muss.«
Erregt sprang Koroljow auf, aber Kolja winkte ab. »Als Sie die Ermittlungen zu den Morden an der heiligen Schwester und an Tesak aufgenommen haben, da mussten wir mehr über Sie erfahren. Und dieses Schloss an Ihrer Tür sollten Sie lieber ersetzen. Mischka hat keine zehn Sekunden gebraucht, um es zu knacken.«
Koroljow spürte den Zorn, der gegen seine Rippen drückte wie die Luft in einem zum Bersten gefüllten Ballon, aber er hielt den Mund. Lange schauten sie sich schweigend in die Augen.
Schließlich fuhr Kolja fort. »Diese Sache ist wichtig für uns. Sehr wichtig. Die Ikone wacht über uns, schon seit langer Zeit. In den Büchern steht, dass Sankt Nikolaus der Schutzheilige der Diebe ist, aber unsere wahre Beschützerin ist die Gottesmutter von Kasan. Das ist unser
Weitere Kostenlose Bücher