Russka
keinerlei Gefühlsregung. Er hatte keine Ahnung, was sie dachte. »Können Sie mir wenigstens eine der Familien nennen, mit denen Sie verhandelt haben?« Offensichtlich glaubte sie ihm nicht. Er erwähnte die Familie des deutschen Mädchens. »Ich gratuliere Ihnen. Eine gute baltische Familie.« Sie lächelte ihn an. »Wie ich allerdings höre, Alexander Prokofievitsch, hat das Mädchen ein beträchtliches Erbe. Bestimmt brauchen Sie nicht mehr, als sie bereits hat. Außer natürlich«, fuhr sie leise fort, »dies hätte überhaupt nichts mit Ihrer Heirat zu tun. Vielleicht sind Sie einfach in einer heiklen finanziellen Lage.«
»Aber nein!« Die alte Hexe!
»Haben Sie denn Schulden?«
»Alle Männer haben Schulden.«
»Das höre ich.« Die Gräfin zog hörbar die Luft ein. Eine Weile hing sie ihren Gedanken nach. Dann fuhr sie fort: »Nun, wenn Sie heiraten, wird man Sie ja hier nicht mehr so oft sehen.«
»Aber doch, Dana Michailovna. Ich werde meine Frau häufig hierher bringen.«
»Ohne Zweifel… Sind Sie völlig ruiniert?«
»Nein«, log er.
»Ich sollte Ihnen sagen, Alexander Prokofievitsch, daß Sie momentan in meinem Testament nicht erwähnt sind.« Er zuckte nicht mit der Wimper, doch er merkte, daß er sehr blaß wurde. Trotzdem blickte er sie tapfer an.
»Immerhin war Ihr Vater mein Verwandter«, sie schnaufte hörbar, »und Sie sind offenbar in Schwierigkeiten. Deshalb werde ich Sie in meinem Testament bedenken. Erwarten Sie kein großes Vermögen, aber es wird genug sein.« Mein Gott, es gab also noch Hoffnung.
»Es ist Zeit für mein Kartenspiel.« Ohne auf seine Hilfe zu warten, stand sie rasch auf. Dann sagte sie unvermittelt: »Übrigens knüpfe ich eine Bedingung daran, Alexander Prokofievitsch. Ja, ich glaube, es wird Zeit, daß Sie heiraten. Sie bekommen Ihr Legat, doch nur, wenn Sie das baltische Mädchen heiraten.« Sie lächelte fröhlich. »Mehr habe ich Ihnen nicht zu sagen, Monsieur.« Und damit verließ sie das Zimmer.
Er blickte ihr nach. Mit infernalischem Spürsinn hatte sie herausgefunden, daß dies genau das war, was er nicht hatte hören wollen.
Das große Haus lag ruhig da. Die Gäste waren gegangen. Alexander und seine Geliebte hatten sich in ihre Wohnung im Ostflügel zurückgezogen, und nun konnten sie sich endlich allein unterhalten. Natürlich sprachen sie über seine Heirat. Der Flügel war vom Haupthaus durch einen Verbindungsgang zu erreichen. Er hatte auch einen separaten Eingang von einer kleinen Hintertreppe aus, die auf die Straße führte. Alles war für eine diskrete Affäre wie geschaffen. Adelaides Räume waren wunderhübsch eingerichtet. Sie hätten sich auch in ihrem Heimatland Frankreich befinden können: Möbel im Stil von Louis XV. und Louis XVI.; ein Aubusson-Teppich mit einer umlaufenden Blumengirlande; schwere Vorhänge aus geblümter Seide mit Volants und Quasten; Tapisserien mit entzückenden Schäferszenen. Dies alles hatte Madame mit spielerischer Leichtigkeit zusammengestellt, und das Ambiente strahlte einen ganz persönlichen Charme aus. Als Alexander ihr von der Bedingung der Gräfin berichtete, nahm die Geliebte Bobrov zärtlich beim Arm und lächelte. »Sie müssen das Mädchen heiraten, mein Freund.«
Sie war wirklich eine ungewöhnliche Frau. Halb Französin, halb Polin, ziemlich groß, mit einer Alabasterhaut. Bis zum Alter von fünfunddreißig Jahren war sie brünett gewesen, nun war ihre natürliche Haarfarbe eisgrau. Sie hatte ein ovales Gesicht, mandelförmige braune Augen und einen breiten, spöttischen Mund. Sie war sehr schlank, hatte eher hohe Brüste, aber ihre Schenkel waren ein wenig üppig, was Alexander beim Liebesspiel in höchste Leidenschaft versetzte.
Es war erstaunlich, wie wenig Adelaide sich während ihrer zehnjährigen Liaison verändert hatte. Sie war ihr ganzes Leben schlank gewesen und hatte auch jetzt noch einen straffen Körper. Sie bewegte sich mit einer wundervoll geschmeidigen Anmut. Als Alexander hier und dort altersbedingte Veränderungen bemerkte, für die sie ja nichts konnte, liebkosten seine Hände eben andere Körperteile. Adelaide war für diese Verbindung sehr dankbar. Sie genoß ihren kleinen Triumph, diesen selbstgefälligen Mann immer noch in erotisches Entzücken zu versetzen. Bobrov liebte sie auf seine Weise. Seine Affären mit jüngeren Frauen hatten ihm nie soviel bedeutet. Außerdem konnte er sich mit ihr gut unterhalten. Sie hatten kaum Geheimnisse voreinander. Sie kannte alle seine
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