Russka
Pläne, wußte sogar, daß er sie für das Lager der Kaiserin verlassen würde.
»Das ist eine Karriere«, war ihre nüchterne Bemerkung dazu gewesen. »Sie müssen sich dieses deutsche Mädchen sofort sichern«, sagte sie nun.
»Ich habe eigentlich gar keine Lust dazu, wissen Sie.«
»Seien Sie dankbar, daß sie Sie liebt, chér ami. Vielleicht tut es Ihnen gut.«
»Und Ihnen?«
Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Es ist gut, eine Familie zu haben.«
»Vielleicht.«
»Enfin. Sie werden mich nicht mehr besuchen.«
»Selbstverständlich werde ich das.« Er wollte ein guter Ehemann werden, aber er hatte nicht den Wunsch, Adelaide zu verlassen. Sie schüttelte den Kopf. »Sie müssen viel Zeit mit Ihrer Frau verbringen.«
»Ich weiß«, seufzte er. »Aber Sie werden mir nicht verbieten, Sie zu besuchen?«
Sie zuckte die Achseln. »Wir werden sehen.« Ihm mißfiel der Gedanke, sie könnte sich einen anderen Liebhaber nehmen. Ihr Blick deutete an, daß es nun nichts mehr zu sagen gebe. Er folgte ihr ins Schlafzimmer, das über eine kleine Treppe zu erreichen war.
Es war kurz nach ein Uhr nachts, als Alexander erwachte. Nachdem sie sich geliebt hatten, war er sofort in tiefen Schlaf gesunken, aber trotzdem war er unruhig. Er wurde von einem Bild verfolgt, das so lebendig, so eindringlich war, daß es ihm mehr eine Vision als ein normaler Traum schien.
Es war die Gräfin. Sie blickte ihn anklagend an, erhob ihren drohenden Finger gegen ihn und sagte: »Voltaire, Voltaire.« Obwohl dies keinen Sinn ergab, war dieser Traum für Alexander zutiefst beeindruckend und erschreckend.
Er lag eine Zeitlang da und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Es war tröstlich, Adelaide schlafend neben sich zu wissen. Allmählich fühlte er sich wieder besser. Als er sie leise berührte, öffnete sie verschlafen die Augen: »Wollen Sie es noch einmal?« Sie streckte die Arme nach ihm aus. »Kommen Sie!« Als er sich jedoch ganz in diese zweite Vereinigung eingelassen hatte, tauchte vor der hellen Gestalt der Geliebten eine andere vor seinen Augen auf. Es war wieder die alte Gräfin. Diesmal sagte sie nichts; ihr weißes Gesicht war tatsächlich so bewegungslos, daß es aussah, als schlafe sie – außer daß sie mit weit offenen Augen vor sich hinstarrte. Sosehr er auch versuchte, die Erscheinung zu bannen, sie blieb hartnäckig zwischen ihnen, starrte ihn unverwandt an, als wollte sie sagen: Sehen Sie, ich schlafe mit offenen Augen.
Es war absurd. Er versuchte nicht an sie zu denken, doch die Erscheinung ließ ihn nicht los. Schlief sie wirklich mit offenen Augen? Während sich sein Körper langsam im Liebesakt bewegte, konnten sich seine Gedanken nicht von dieser Vorstellung losreißen. Schlief sie gerade jetzt und starrte dabei die ganze Zeit in die Ferne? Diese Frage wurde mit jedem Augenblick dringlicher für ihn.
Plötzlich hielt er inne und entzog sich Adelaides Umarmung. »Ich muß gehen. Ich muß sie sehen. Die alte Frau.«
»Gräfin Turova? Sie sind verrückt. Sie schläft doch.«
»Ich muß sie schlafend sehen. Ich muß wissen, ob ihre Augen offen sind.«
Adelaide setzte sich auf. »Meinen Sie das im Ernst? Sie wollen zu ihr hinüber, in ihr Schlafzimmer gehen?« Sie schüttelte den Kopf, wußte nicht, ob sie ärgerlich oder amüsiert über seine abwegige Idee sein sollte.
»Ich bleibe nicht lange.« Er zog sich nur die Jacke über, falls es im Gang kalt sein sollte. Auf Strümpfen machte er sich auf den Weg in das Haupthaus.
Alles war still. An der marmornen Treppe gab eine tropfende Kerze ein wenig Licht. Neben dem Eingang schlief ein alter Lakai auf einer Bank. Alexander wußte, daß sich im Obergeschoß außer der Gräfin und einer alten Dienerin, die in einem kleinen Zimmer schlief, niemand befand. Er kannte das Haus gut. Leise stieg er die Holztreppe zum Schlafgemach der Gräfin hinauf. Oben war ein kleiner Absatz. Von rechts hörte er die gleichmäßigen tiefen Atemzüge der Dienerin. Zur linken war die Tür des größeren Raumes nur angelehnt. Ein Lichtschein drang heraus, aber kein Laut. Alexander warf einen Blick durch den Spalt.
Auf einem bemalten Holztisch stand ein großer, dreiarmiger Silberkandelaber. Die Kerzen waren heruntergebrannt, aber sie verbreiteten immer noch genügend Helligkeit. Das Bett war nicht zu sehen. Alexander stand eine volle Minute unschlüssig da. Wenn sie nicht schlief und er die Tür öffnete, würde sie das sicher bemerken. Sie würde schreien, das ganze Haus würde
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