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Ruth

Ruth

Titel: Ruth
Autoren: Frank G. Slaughter
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geleistet“, erinnerte sie Tob. „Du bist jetzt mit mir verlobt.“
    „Ja, Ruth“, gab Noëmi
widerstrebend zu. „Er hat es.“
    Als Tob sich mit ihr unter die
anderen Tänzer mischte, leistete sie keinen Widerstand, aber sie war nicht mehr
die junge Frau, die mit Joseph und Boas so fröhlich zum Fest der ersten Früchte
getanzt hatte. Um sie herum tanzten die anderen Paare eng aneinander
geschmiegt, aber Ruth hielt sich steif zurück. Selbst eine Berührung mit Tob
stieß sie ab, und sie war sicher, daß er den Tanz nur gefordert hatte, um sein
Recht auf sie geltend zu machen.
    Kaum hatte Tob Ruth
freigegeben, als Josko wieder neben ihr erschien. „Können wir jetzt tanzen?“
fragte er eifrig.
    Ruth wollte die Gefühle des
kleinen Mannes nicht verletzen, denn er hatte ihr wenigstens die Ehre erwiesen,
sie durch Boas wissen zu lassen, daß er in sie verliebt sei. Aber sie wollte
nicht mehr tanzen, es sei denn mit Boas. Und Boas hatte in keiner Weise
angedeutet, daß er die Absicht hätte, sie aufzufordern.
    „Ich bin keine Person, die man
einfach zur Seite schiebt“, erinnerte sie Josko wichtigtuerisch. „Ich bin ein
Mann, der viele Felder besitzt. Und ich erweise dir eine große Ehre, indem ich
dich zum Tanz auffordere.“
    „Ich weiß“, sagte Ruth. Sie
stand auf, um mit ihm zum Tanzboden zu gehen, aber es gab eine weitere
Unterbrechung. Einer der jüngeren Männer, der Josko zu ärgern suchte, packte
Ruth am Arm und wollte sie in das Gedränge der Tänzer ziehen.
    Der kleine Mann verteidigte
aber dieses Mal seine Rechte sofort: „Sie tanzt mit mir!“
    „Schickt sie zurück nach Moab!“
schrie Zelda dazwischen. „Wir wollen sie hier nicht.“
    Der junge Israelit hielt Ruth
noch immer lachend an einem Arm fest, während Josko sie am anderen zog. Rot vor
Verlegenheit, konnte sie nichts dagegen tun.
    „Sie gehört mir!“ schrie Josko.
„Und wenn ich Tob das Recht des nächsten Verwandten abkaufen muß.“
    Zelda sprang vor Ruth. „Geh
zurück nach Moab, du Hure“, schrie sie.
    „Seht nur ihre Kleider!“ rief
eine andere Frau.
    „Wir werden sie ihr
herunterreißen!“ Zelda riß an Ruths Kleid. „Zieht sie aus!“
    „Zieht sie aus!“ grölten die
anderen Frauen. „Zerreißt ihre Kleider!“
    Zeldas Finger wollten Ruths
Gesicht zerkratzen. In diesem Augenblick ließ der junge Israelit, mit dem die
ganze Unruhe begonnen hatte, sie los, und Ruth erhob ihre Hand, um sich zu
wehren. Wütend taumelte Zelda zurück und schrie, daß Ruth sie geschlagen habe.
Halb blind vor Tränen der Scham und Demütigung, suchten Ruths Augen Boas, um
ihn schweigend anzuflehen, er möge sie retten. Doch Boas war mit Elkan
weggegangen, um für die Feiernden einen neuen Weinschlauch zu holen. Als er die
schreienden Stimmen vernahm, kehrte er um, aber Tob war in die Bresche
gesprungen, ehe Boas handeln konnte.
    „Rührt diese Frau nicht an!“
rief er. „Sie wird mein Weib werden. Haltet euch zurück! Achtet sie!“
    Als Vorsitzender des Rates der
Ältesten sprach Tob mit Autorität. Der Tumult legte sich. Nur Josko sprang noch
immer hin und her, eine komische Figur sogar noch in seinem Zorn.
    „Sie gehört mir!“ schrie er.
„Sie wird mit mir tanzen.“
    „Ich bin der nächste
Verwandte“, erklärte Tob nachdrücklich. „Niemand kann mir die Moabiterin
nehmen. Nach dem Gesetz darf sie keiner heiraten, es sei denn, ich gebe ihm
meinen Schuh.“ Tob hatte sich auf das Gesetz berufen, und keiner wagte es, in
der Öffentlichkeit dagegen anzugehen. Auch Boas blieb in einigen Metern
Entfernung stehen, in der klaren Erkenntnis, daß er in diesem Augenblick nichts
unternehmen konnte. Er hatte jedoch die Geistesgegenwart, den Musikanten
zuzurufen, eine neue Weise anzustimmen, und als die Leute wieder zu tanzen
begannen, legte sich die Aufregung über Ruth. Aber als er sich nach ihr umsah,
war sie in der Nacht verschwunden.
     
    Noëmi fand Ruth in der
Dunkelheit auf einem Stein. Sie legte den Arm um ihre Schwiegertochter und ließ
die jüngere Frau ihr Unglück und ihre Demütigung ausweinen. Endlich hob Ruth
den Kopf und trocknete ihre Tränen. „Sie kämpften um mich wie ein Rudel Hunde
um ein Weibchen, Noëmi“, sagte sie und schüttelte sich vor Ekel. „Vielleicht
bin ich, was Zelda mich genannt hat.“
    „Still, Kind! Du weißt selbst
in deinem Herzen, was du bist. Und ich weiß, was du bist — gütig, aufrichtig
und standhaft.“
    „Boas hat nicht einmal
versucht, mir zu helfen“, klagte Ruth.
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