Ruth
Eliab hatte einen Soldaten zum Ende der Kolonne geschickt, wo
sich eine große Kohlenpfanne auf einem der Karren befand, die zum Entzünden der
Kochstellen verwendet wurde, wenn das Heer sein Lager aufschlug. Als der Mann
zurückkam und in einem kleinen irdenen Topf ein paar Kohlen brachte, kniete
sich Eliab vor einen Haufen Zweige, die zusammengetragen worden waren, während
sie auf die Kohlen gewartet hatten. Eliab deckte die glühenden Kohlen mit
Zweigen ab und blies dann darüber, bis eine kräftige Flamme emporzüngelte und
das Holz zu verzehren begann. Dann fügte er größere Zweige und Teile von totem
Gesträuch hinzu.
Chebs Augen blickten rasch auf
seine gesunde Hand und dann auf den Stumpf seiner Linken. In einem plötzlichen
Fluchtversuch gab er seinem Pferd die Sporen, aber Boas hatte ihn beobachtet
und rief einen Befehl aus. Ehe der Spion zwei Pferdelängen hinter sich gebracht
hatte, griffen Soldaten in die Zügel und zogen Cheb vom Sattel. Sie brachten
den zitternden Verräter zurück zu Boas, der neben dem Feuer stand.
„Bist du ein Spion Hedaks,
Cheb?“ fragte Boas kalt.
„Ich bin ein Israelit“,
stammelte Cheb, „und treu.“
„Dann leg deine Hand in die
Flammen.“
Der Spion blickte wie ein
verwundetes Tier um sich, aber er sah kein Mitleid in den ernsten Gesichtern um
ihn herum. Langsam streckte er seine Hand nach dem Feuer aus, aber als die
Hitze seine Haut zu versengen begann, riß er sie zurück.
„Leg deine Hand ins Feuer,
Cheb“, befahl Boas. „Wenn du die Wahrheit gesagt hast, wird Gott dich nicht
verbrennen lassen.“ Cheb versuchte es erneut, aber als er die Hitze auf seiner
Haut spürte, zog er seine Hand wieder zurück, und sein Mund bewegte sich.
„Haltet ihm die Hand in die
Flammen“, befahl Boas.
Die Soldaten, die Cheb gefaßt
hatten, stießen ihn auf das Feuer zu, und Eliab ergriff Chebs gesunde Hand und
zwang sie über das Feuer. Cheb wimmerte vor Angst. Und als ob sie es kaum
erwarten könnten, das Fleisch des Verräters zu versengen, loderten die Flammen
plötzlich in die Höhe und schienen gierig nach seiner Hand zu züngeln.
„Ich habe gelogen“ schrie Cheb
und wand sich im Griff der Soldaten. „Ich habe gelogen...“
„Dann führst du uns also in
eine Falle?“ fragte Boas finster.
„Ja! Ja! Nimm meine Hand aus
dem Feuer. Ich will alles sagen.“
„Laß seine Hand los, Eliab“,
befahl Boas. „Ihr anderen, haltet ihn weiterhin fest. Nun, wo wartet Hedak auf
uns?“
Cheb keuchte vor Erleichterung
und riß seine Hand zurück. Seine Augen schossen von einem zum anderen der
Männer um ihn herum, aber er sah nichts, was ihn auf Gnade hoffen ließ. Doch in
seiner Verzweiflung versuchte er zu feilschen. „Laßt mich frei, und ich werde
alles sagen, was ich weiß“, versprach er.
„Wir feilschen nicht mit
unseren Verrätern“, sagte Boas verächtlich. „Leg seine Hand wieder ins Feuer,
Eliab.“
„Ich werde alles sagen!“ schrie
Cheb. „Hedak wartet darauf, euch in der Schlucht von Hezron zu überfallen.“
„Er hätte uns alle zu Narren
gemacht“, sagte Eliab. „Zu toten Narren... wenn du nicht der Stimme der
Vernunft gefolgt wärest, Boas.“
„Vielleicht war es etwas
Höheres als nur Vernunft, was zu mir sprach“, gestand Boas. „Führt den Verräter
ab, aber bewacht ihn gut. Wenn wir nach Juda zurückkehren, wird der Rat über
sein Schicksal entscheiden.“
Er wandte sich an die Krieger,
die ihn umringten. „Ich hätte euch beinahe alle vernichtet“, sagte er demütig,
„weil ich einem Verräter Gehör schenkte. Aber Gott schickte uns zur rechten
Zeit eine Warnung. Hedak wartet in der Schlucht von Hezron. Er nimmt an, daß
wir in einen Hinterhalt marschieren. Kennt einer von euch diese Gegend?“
Ein robust aussehender Mann
trat aus den Reihen der Offiziere nach vorn.
„Ram!“ rief Boas herzlich. „Ich
hätte gleich an dich denken sollen. Du hast geholfen, mich aus Heschbon zu
befreien.“
Ram strahlte über das Lob. „Ich
habe viele Jahre lang in dieser Region gelebt, Boas“, sagte er, „und ich kenne
die Schlucht von Hezron gut.“
„Hätten uns die Moabiter dort
in einer Falle fangen können?“
„Wie einen Vogel mit einem
gebrochenen Flügel. Wir wären dort festgenagelt worden, unfähig, uns zu
bewegen.“
„Bei den Zelten Israels!“ sagte
Eliab. „Und die Falle war mit einem guten Köder versehen. Was sollen wir tun,
Boas?“
Boas lächelte zum ersten Mal
seit dem Morgen. „In meiner Jugend bin ich oft
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