Ruth
Tal
ausbreitete, zu entfachen. Die Maultiere und die Kamele wurden an der Quelle,
die aus den nahe gelegenen Felsen sprudelte, getränkt und angepflockt, so daß
sie im frischem Gras am Ufer des Baches, der von der Quelle gespeist wurde,
weiden konnten. Kiljon und Machlon trugen den spärlichen Familienbesitz, die
gewebten Schlafmatten und die Gewänder aus rauhem Wollstoff, die als Bekleidung
bei Tag und als Decke bei Nacht dienten, in die Höhle.
Während die Brüder arbeiteten,
stellte Noëmi ihre Töpfe und Kochgeräte auf. Sie war stolz auf sie, denn
Machlon hatte sie aus Eisen gefertigt und sie ließen sich leicht reinigen. Da
waren Metallhaken, mit deren Hilfe man die Töpfe über das Feuer hängen konnte,
und Löffel mit langen Griffen, mit denen man das würzige Schmorgericht umrühren
konnte, wenn es Fleisch gab, oder den Brei aus Gerste und Schrotmehl, wenn es
keines gab. An diesem Abend gab es kein Fleisch, aber sie hatten noch etwas
Feigen, und Noëmi schüttete glücklich den letzten Rest des Gerstenmehls, das
sie aufgespart hatte, in den Topf, voll Vertrauen, daß Gott diesen neuen Anfang
segnen und sie mit seiner Hilfe für den morgigen Tag Nahrung finden würden.
Als Handwerker verloren Machlon
und Kiljon keine Zeit. Sie stellten die Schmiedeöfen und Schleifsteine auf und
setzten die Wasserkübel neben die Schmiedeöfen, wo sie am Morgen schnell
gefüllt werden konnten, bereit zur Härtung der ersten Klinge. Sie sammelten
Holz und arbeiteten noch lange nach dem Abendessen, als es schon dunkelte, an
den Blasebälgen. Die Häute, die während der langen Reise hart und trocken
geworden waren, wurden mit Öl eingerieben, damit sie am Morgen geschmeidig und
biegsam sein würden.
Wie es sich für den ältesten
Sohn ziemte, breitete Machlon seine Schlafmatte quer zum Eingang der Höhle aus.
Seinen Dolch und einen Speer legte er griffbereit neben sich. Aber nicht an einen
Angriff oder Kampf dachte er, als er da lag und auf die Stadt hinunterblickte.
Auch nicht an das sich im Schmiedefeuer erwärmende Metall und die blitzenden
Werkzeuge, die seine geschickten Hände formten. Seine Gedanken waren bei dem
Mädchen, das zweifellos irgendwo dort unten in der Stadt schlief und dessen
Name Ruth war.
Wenn sie miteinander verlobt
wären... Der Gedanke ließ eine plötzliche Wärme durch seinen Körper strömen.
Aber dann erinnerte ihn die kalte Vernunft daran, daß er ein Israelit war, nicht
einmal ein zweites Paar Sandalen für seine Füße besaß, geschweige denn ein
Gewand aus kostbarem Stoff für die Hochzeit, während Ruth in Moab eine Person
von einiger Bedeutung sein mußte, da Prinz Hedak selbst sie begleitete.
Dann erinnerte er sich selbst
jedoch stolz daran, daß er dem Volk angehörte, das Gott als sein eigenes
auserwählt hatte. Und er stammte direkt von einem der Söhne Jakobs ab, deren
Namen die zwölf Stämme Israels bezeichneten, vom Stamme Juda, aus dem tapfere
Führer Israels hervorgegangen waren und aus dem, nach der Überlieferung, auch
noch ein König hervorgehen würde.
8
Die Sonne war kaum aufgegangen,
als Machlon aus der Höhle trat. Er betrachtete zufrieden die Schmiedeöfen und
die Wasserkübel daneben, die Ambosse mit den zurechtgelegten Hämmern und das
trockene Holz, das bereitlag, um sich unter dem Luftstrom des Blasebalgs in
Kohle zu verwandeln. Schon waren die lange Reise und die Entbehrungen, die sie
erduldet hatten, nur noch schwache Erinnerung gegenüber der Wirklichkeit der
großen Stadt, die vor ihm lag, und dem Versprechen der Zukunft. Aus Hunderten
von Kaminen stiegen Rauchfahnen in den Himmel auf, und das Geräusch von
geschäftigen Menschen, von krähenden Hähnen und bellenden Hunden drang über die
Mauern zu ihm herauf. Bestimmt, dachte er, würden sie mit Prinz Hedaks
Wohlwollen in diesem neuen Land als Schmiede zu Wohlstand gelangen.
Doch dann runzelte er die
Stirn, denn er erinnerte sich an Boas’ Vorwurf, er werde für die Feinde
Schwerter machen, und daran, daß Ruth beinahe das gleiche gesagt hatte. Aber er
hatte Hedak kein derartiges Versprechen gegeben, obwohl das Schmieden einer
feinen, gut gehärteten Klinge, wie sie Boas trug, ihm mehr Freude bereitete als
alles andere, was er schuf.
Kiljon trat gähnend und sich reckend
aus der Höhle. „Erst weckst du mich mitten in der Nacht auf“, brummte er, „und
dann stehst du da und träumst. Ich wette, du hast an Ruth, die Moabiterin,
gedacht.“
Machlon lachte und stieß
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