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Ruth

Ruth

Titel: Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank G. Slaughter
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den
reißenden Klauen und grausamen Schnäbeln der Geier den Leib eines Wesens zu
überlassen, das ihnen so treu gedient hatte. Selbst wenn es sich dabei nur um
ein Maultier handelte.
    Die Woche, die ihnen Hedak
zugestanden hatte, um Heschbon zu erreichen, war beinahe um, als an einem
Spätnachmittag eine lange dunkle Bergkette im Dunst vor ihnen auftauchte.
    „Mutter! Vater! Machlon!
Schaut!“ rief Kiljon aufgeregt. „Die Berge, die das Tal von Moab umgeben.“
    An diesem Abend schlugen sie
ihr Lager im Schatten des Gebirges auf. Elimelech war sehr krank, und am
nächsten Morgen wollten ihnen allen die Kräfte vor Erschöpfung und
Schlaflosigkeit versagen. Beim Anblick der Berggipfel fing Noëmi plötzlich an
zu weinen.
    „Was ist, Mutter?“ fragte
Machlon schnell.
    „Du und Kiljon, ihr müßt
weitergehen und uns hier zum Sterben zurücklassen“, schluchzte sie. „Dein Vater
und ich kommen nie über solche Berge.“
    „Aber wir müssen doch gar nicht
darüber“, versicherte er ihr. „Es gibt einen Durchbruch ins Tal. Cheb, der Sohn
der Irren, der am Tor von Betlehem wohnt, handelt mit Moab. Er hat mir davon
erzählt.“
    Noëmi konnte wieder lächeln und
richtete sich auf. „Laßt uns weiterziehen“, sagte sie. „Vielleicht können wir
vor Einbruch der Dunkelheit frisches Obst für euren Vater finden.“
    Es war noch nicht Mittag, als
sie eine enge Schlucht erreichten, die das Gebirge zerteilte. Ein rauschender
Bach floß am Weg entlang. Sie hielten einen Augenblick an, tranken das kalte
klare Quellwasser und ließen die Tiere trinken und neben dem Pfad ein wenig
grasen.
    Rechts und links des Pfads
ragten die Felswände steil in die Höhe. Der Weg war schmal. Machlon blickte
beunruhigt um sich. Sollten sie an einer so schmalen Stelle angegriffen werden,
dann gab es kaum eine Möglichkeit für sie, sich zu verteidigen. Da er der
Gefahr ins Auge schauen wollte, ging er mit dem Kamel, das er führte, schnell
weiter, bis er den anderen etwa hundert Schritte voraus war. Plötzlich ertönte
ein rauher Schrei über seinem Kopf, und schon drang ein Speer vor seinen Füßen
zischend in den Pfad: ein wortloser Befehl, stehenzubleiben — in jeder Sprache
und in jedem Land klar verständlich.
    Machlon erstarrte in Erwartung
eines weiteren Speers oder eines Pfeils, der ihn treffen würde. Aber es kam
nichts. Dagegen ließ sich ein moabitischer Soldat mit gezogenem Schwert von
einem Felsüberhang fallen, auf dem er verborgen den Weg beobachtet hatte.
„Woher kommt ihr?“ verlangte er zu wissen.
    „Aus Betlehem“, antwortete
Machlon. „In Juda.“
    Der Soldat tat einen Schritt
auf den jungen Schmied zu, sein Schwert erhoben, als ob er ihn niederschlagen
wollte. „Das Leben aller Israeliten, mit Ausnahme von Cheb, dem Händler, ist in
Moab verwirkt.“
    „Prinz Hedak gewährte uns
sicheres Geleit bis Heschbon“, sagte Machlon mit fester Stimme. „Hat man dich
nicht unterrichtet?“
    „Seid ihr die israelitischen
Schwertschmiede, die wir erwarten sollen?“
    „Wir sind Schmiede, und wir
kommen aus Israel. Die anderen sind gerade hinter mir.“
    „Wir hatten euch als verloren
aufgegeben“, erklärte ihm der Soldat. „Heute, nach Sonnenuntergang, wäre die
Woche, in der euch für euren Weg Sicherheit garantiert worden ist, abgelaufen
gewesen, und jede Hand in Moab hätte sich gegen euch erhoben.“ Machlon lächelte
gezwungen. „Es gab einen Sandsturm..., und wir verloren ein Maultier.“
    „Ich muß euer Gepäck
durchsuchen“, sagte der Soldat wichtigtuerisch. „Damit ich sicher sein kann,
daß ihr wirklich die Schmiede seid.“
    Müde wie sie waren, wurden
Machlon und Kiljon von dem übereifrigen moabitischen Soldaten gezwungen, die
Ambosse, Schmiedeöfen, Blasebälge, Hämmer, Zangen, die Meißel und jedes
kleinste Schmiedewerkzeug auszupacken. Er untersuchte sogar die Schwerter,
Lanzenspitzen und Sicheln, die sie als Beweise ihrer Kunst mit sich führten.
Als er damit fertig war, hatten Machlon und Kiljon die mühsame Aufgabe, die
Gegenstände wieder zusammenzupacken. Mehr als eine Stunde war vergangen, als
man ihnen erlaubte, ihren Weg fortzusetzen. Aber sie fühlten sich schon
leichter, denn hier wehte ein kühlender Wind, und jede Wegbiegung brachte sie
dem fruchtbaren Land, das vor ihnen lag, näher.
    Plötzlich erreichten sie das
Ende der Schlucht, und zu ihrer Linken breitete sich ein weites Tal grün und
saftig in der Nachmittagssonne vor ihnen aus. Obstgärten, Weinberge und Felder
lagen

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