Ruth
und sein Bedürfnis nach
Teilnahme zu zeigen.
„Herr... Herr...“ Es war nur
ein Flüstern, aber sie konnten hören, daß es vom Ufer kam. Boas, Machlon und
Joseph suchten sich ihren Weg durch das felsige Gestein und fanden den
zusammengesunkenen Körper einer Frau, der fast im Fluß lag, als ob die Frau
versucht hätte, in ihrer Qual das Wasser zu erreichen. Sie trug I das Kleid
einer Dienerin.
„Es ist Sara“, sagte Machlon.
„Tamars Dienerin...“
„Sprich diesen Namen nicht mehr
aus, Machlon.“ Boas’ Ton war heftig. Aber als er sich neben die schwer
verwundete Frau kniete, wurden seine Hände sanft. Er tauchte den Saum seines
Reitmantels in das kalte Wasser und wusch ihr geschundenes Gesicht so behutsam
wie eine Frau, die für einen Kranken sorgt.
Die Dienerin öffnete die Augen,
aber der Schatten des Todes lag schon über ihnen.
„Herr... Herr...“, keuchte sie.
„Wer hat sie umgebracht, Sara?“
fragte Boas leise.
„Moabiter, die über den Jordan
kamen“, stammelte sie.
Boas tauschte einen raschen
Blick mit Joseph. Die Männer von Moab hatten schon früher die Neutralität der
Zufluchtsstätte mißachtet. Aber der Tote war ein Moabiter, und es war wirklich
seltsam, daß ein Bruder den anderen getötet haben sollte.
Die Finger der Sterbenden
tasteten nach Boas, und er nahm ihre Hand und hielt sie in der seinen, um ihr
Kraft in der Todesstunde zu geben. „Der Gott Israels wird dich segnen, Sara“,
sagte er mit gesenktem Kopf. „Denn du warst treu bis in den Tod.“
Nachdem die Frau aufgehört
hatte zu atmen, faltete Boas ihre Hände und schloß ihre Lider, obwohl sie eine
Sklavin gewesen war. Er richtete sich auf, und die Umstehenden vergessend, hob
er seine Arme gegen den grellen Himmel. „Möge der Allerhöchste denjenigen in
meine Hände liefern, der..
Sein Gebet wurde durch ein
fremdes Geräusch unterbrochen — das Klirren der Rüstung von Soldaten. Alle
Augen wandten sich zu der Reitergruppe, die sich auf der anderen Seite des
Flusses näherte.
„Moabiter! Unter die Bäume.“
Boas gab Joseph und dem Dutzend Krieger, das sie begleitete, einen raschen
Befehl. Die Israeliten packten ihre Lanzen und lockerten ihre Dolche und
versteckten sich hinter den schützenden Baumstämmen. Aber Machlon stand
entschlossen neben Boas unter freiem Himmel, und Kiljon tat das gleiche.
Hedak, Ruth und die
moabitischen Soldaten ritten in eine Lichtung auf der anderen Seite des
Flusses. Hedak brachte sein Pferd zum Stehen und richtete sich im Sattel auf.
„Ihr Schafe!“ rief er voll Verachtung. „Was macht ihr hier an Moabs Grenze?“
Plötzlich griff die Hand des
moabitischen Feldherrn nach dem Schwert. „Boas!“ rief er überrascht und mit
grimmiger Befriedigung aus, indem er seine Waffe zog. „Endlich treffen wir uns
wieder!“
Boas griff nicht zu seinem
Schwert, und die Söhne Elimelechs erhoben ihre Lanzen nicht, als Hedak seinem
Pferd die Sporen gab und es in den Fluß trieb und schrie: „Tötet die
Israeliten!“ Die moabitischen Soldaten folgten ihm. Auf einen kurzen Befehl von
Boas traten die israelitischen Krieger hinter ihm hervor. Hedak sah plötzlich,
daß sie ihm zahlenmäßig um mehr als das Doppelte überlegen waren, und brachte
sein Pferd mitten im Fluß zum Stehen. Ein verbindliches Lächeln zeigte sich auf
seinem breiten Gesicht.
„Ich war begierig darauf, dir
das Geschenk, das du mir vor Jahren überreicht hattest, zurückzugeben, Boas“,
gab er zu und betastete die helle Narbe auf seiner Wange. „Natürlich achten wir
aus Moab die Zufluchtsstätte genauso wie ihr. Ihr braucht euch nicht vor uns zu
fürchten.“
„Die Soldaten Israels fürchten
keinen Moabiter“, stieß Boas verächtlich hervor. „Aber wenn ihr den neutralen
Boden respektiert, Warum habt ihr dann zwei Wehrlose umgebracht?“
Hedak zuckte die Achseln. „Wo
liegt der Beweis, daß wir aus Moab die Zufluchtsstätte mißachtet haben?“
„Hier.“ Boas deutete auf das
Zelt und die zwischen den Fetzen liegenden Leichen. „Komm her und sieh es dir
an!“
„Habe ich dein Wort im Namen
des Gottes, zu dem du betest, daß auch du den neutralen Boden respektierst?“
„Du hast mein Wort“,
versicherte ihm Boas.
Hedak befahl seinen Soldaten,
auf der anderen Seite zu bleiben und ritt über den Fluß, um sich den Israeliten
zu nähern. Keiner schien zu bemerken, daß Ruth, die man, in ihrem Mantel
versteckt, für einen schmalen Jungen halten konnte, dem riesigen Moabiter über
den Fluß
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