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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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kamen näher. Heidis Miene veränderte sich sichtlich, sie
    verriet weniger Stolz als vorher und mehr schlechtes Gewissen.
    „Wer von euch beiden ist auf diesen Gedanken gekommen?“ fragte Dr. Rywig.
    „Ich“, sagte Heidi.
    „Warum hast du das getan, Heidi?“
    „Darum, weil Hans Jörgen, der sah aus wie ‘n Mädchen. Und ‘n Junge kann doch nicht wie ‘n Mädchen aussehen. Weil... dann lachen alle Leute ihn aus, und Hans Jörgen ist doch ‘n richtiger Junge.“
    Um des Doktors Mund zuckte es. Ich warf Mutti einen Blick zu. Sie hatte sich tatsächlich so weit in der Gewalt, daß sie ihre Mundwinkel ruhig hielt, aber das Lachen funkelte in ihren Augen.
    „Ja, das wollen wir hoffen, daß Hans Jörgen ein richtiger Junge ist“, sagte der Doktor. „Aber, Heidi, und du auch, Hansem... Hans Jörgen: Ihr wußtet doch ganz genau, daß ihr dies nicht durftet.“
    „Das hat uns aber keiner gesagt“, verteidigte sich Heidi. Es konnte kein Zweifel bestehen, daß bei dem Paar Heidi-Hans Jörgen die Frau es war, die das Wort führte und die Beweise zur Hand hatte. Nun, so weit hatte Heidi recht.
    „Heidi“, sagte Mutti, die ihre Jüngste kannte. „Warum hast du nicht gefragt, ob du Hans Jörgens Haar abschneiden durftest?“
    „Klar hab ich gefragt, und er hat ja gesagt.“
    „Du weißt genau, was ich meine. Warum hast du nicht Hans Jörgens Vater gefragt?“
    „Nein, das konnte ich noch nicht tun, der hätte doch bestimmt nein gesagt“, erwiderte Heidi.
    Da streckten wir die Waffen: Respekt und Autorität und Strafe und Standreden. Wir schrien vor Lachen, und die beiden kleinen Sünder schrien mit.
    Der Doktor ging hinauf, um die Haarschneidemaschine zu holen. Er brachte nicht nur diese mit, sondern außerdem noch ein Paket, in Zeitungspapier, dessen Inhalt er uns zeigte. Einen Schwall goldblonder Locken. Die Operation war offenbar vor dem großen Spiegel in des Doktors Schlafzimmer vorgenommen worden.
    „Wissen Sie, was ich jetzt denke, Beate?“ fragte Dr. Rywig.
    „Was bekomme ich, wenn ich es errate?“ fragte ich.
    „Eine Schachtel Zigaretten“, antwortete der Doktor.
    „Sie denken: Ein Glück, daß Tante Julie dies nicht miterlebt hat“, sagte ich.
    Der Doktor steckte die Hand in die Tasche und holte eine
    Packung Zigaretten heraus.
    „Bitte sehr, Beate!“
    Dann zog er sich mit seinem Jüngsten und der Haarschneidemaschine zurück.
    Als die Zwillinge nach Hause kamen, vergaßen wir zu schelten. Und beim Abendbrot herrschte „Ausnahmezustand“, weil wir Besuch hatten, und die Kleinen durften auch mit am Tisch essen -Bernt und die beiden Mädchen schrien laut vor Lachen.
    Hans Jörgen wirkte komischerweise viel größer, viel schlanker -und vor allen Dingen viel jungenhafter mit seinem kurzgeschorenen Schädel. Ja, denn kurzgeschoren war er, so kurz, daß kein Sträfling kürzer geschoren sein könnte.
    „Das ist famos, Hans Jörgen“, sagte Bernt. „Jetzt habe ich beinahe das Gefühl, ich habe einen richtigen großen Bruder und nicht nur so ein kleines, blondlockiges Brüderchen!“
    „Und jetzt denkt keiner mehr, daß du ‘n Mädchen bist“, strahlte Heidi, Gesicht und Finger voll Blaubeermarmelade.
    Der Doktor warf Heidi einen Blick zu. „Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten“, sagte er. „Und es ist nur gut, daß Hans Jörgen in frühem Alter die Macht der Frau kennenlernt!“
    „Was ist das, die Macht der Frau?“ fragte Hans Jörgen.
    „Das ist das, womit Heidi dir die Locken abgeschnitten hat.“ „Nei-i-i-n“, rief Hans Jörgen. „Damit hat sie mir gar nicht die Locken abgeschnitten. Sie hat eine Schere genommen.“

Geburtstag und Weihnachtsvorbereitungen
    Mutti und ich waren am nächsten Morgen früh auf den Beinen.
    Schon am Abend vorher hatten wir angefangen, den Geburtstagstisch für Bernt aufzubauen. Die kleinen Geschenke von den Zwillingen und Hans Jörgen waren hübsch in buntes Papier eingeschlagen, mit rotseidenem Band darum, ebenso die Tafel Schokolade von Heidi, die Taschentücher von Mutti und das Buch von mir - „Alpine Flora“, ein Buch mit den schönsten Farbfotos von Alpenrose, Enzian, Edelweiß und Knabenkraut und was es sonst noch an farbenprächtigen Blüten und Pflanzen dort unten gab.
    Der Doktor hatte dabeigestanden und unserer Arbeit zugesehen, er hatte zugesehen, wie Mutti lange, grüne Ranken und kleine Schokoladetiere brachte, die mit Klebestreifen an den Ranken befestigt wurden.
    „Ich glaube, wir müssen Sie jedesmal

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