Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Glanzpapier und Weihnachtskörbchen, und unser Besuch machte begeistert mit.
Kam der Doktor abends heim, das Gesicht von Müdigkeit gefurcht, dann war es, als glätteten sich die Furchen, wenn er uns mit unserem Buntpapier und dem Rauschgold, mit Scheren und Kleister um den Eßtisch sitzen sah. Es konnte geschehen, daß er sich dazusetzte und ein Körbchen ausschnitt, oder sich die Pfeife anzündete, uns bei der Arbeit zusah und uns gute Ratschläge gab. Seine Augen ruhten oft auf Bernt, wenn er dasaß und Hans Jörgen half, die Glieder einer Kette zusammenzukleben oder einen Anhänger in eine vergoldete Walnuß zu stecken. Friedlich und behaglich. Hans Jörgen war lieb und gut, und Bernt wurde nicht ungeduldig, wenn der kleine Bruder ihn bei seiner eigenen Arbeit störte. Bernt verfertigte den allerhübschesten Christbaumschmuck. Er saß mit „Alpine Flora“ vor sich und schnitt mit unendlicher Geduld aus Buntpapier feine kleine Blättchen aus, die er zusammenfügte, so daß die reizendsten Alpenblumen daraus entstanden.
Er hatte eben die neuen Farbfotos vom Fotografen zurückbekommen und es noch gerade geschafft, das Wettbewerbsherbarium fertigzumachen, ehe die Frist abgelaufen war. Es war wunderhübsch, nur wesentlich kleiner, als ursprünglich gedacht war.
Aber diese Geschichte wurde nie mehr erwähnt. Sie gehörte einer vergangenen Zeit an. Es hatte sich seitdem viel Gutes und Schönes ereignet.
Dann kam der Doktor eines Tages nach Hause und fand die Stuben leer. Maren richtete ihm schnell ein Mittagessen an, und als er gegessen hatte, erschien er in der Küche.
Hier fand er die ganze Familie versammelt, alle mit Küchenschürzen um und von Fettgeruch umgeben und mit Kuchenrollen und Backrädchen in den Händen. Ich hatte den Teig für die Schürzkuchen ausgerollt, Bernt stand am Topf und buk sie in dem brutzelnden Fett, nachdem Senta sie mit den Rädchen ausgerollt und Sonja die eine Ecke durch den Schlitz in der Mitte gesteckt hatte. Hans Jörgen stand vor einem Backbrett, das ich quer über zwei Hocker gelegt hatte, und buk für sich allein. Mit glühenden Wangen, blanken Augen, Mehl auf der Nase und überall, rollte er nach seinem eigenen Gutdünken Kuchen aus. Ich hatte ihm versprochen, daß sie zuletzt gebacken werden sollten. Hans Jörgen sollte auch seine eigene kleine Kuchendose bekommen, mit der er dann aufwarten könnte, wenn Lieselottchen ihn besuchte.
Die Kinder nahmen in der Küche den gesamten Platz ein. Ich selber stand in einer Ecke und rührte den Teig für die braunen Kuchen an, die am nächsten Tag drankommen sollten.
„Wozu wollen Sie mich denn anstellen, Beate?“ fragte der Doktor.
„Sie können Senta ablösen“, sagte ich. „Radeln Sie Kuchen aus. Senta muß sich jetzt der fertigen Kuchen annehmen. Die müssen in eine Dose gelegt werden, und das muß eine zarte Frauenhand tun.“
Und wahrhaftig! Zwei Minuten später stand der Doktor mit aufgekrempelten Hemdärmeln da und radelte mit seinen empfindsamen, geschickten Arzthänden Schürzkuchen aus.
Als die Kinder an diesem Abend zu Bett gegangen waren und ich die Küchenschürze an den Nagel hängte, erschien der Doktor wieder in der Küchentür.
„Beate!“ sagte er. „Jetzt habe ich aber mal was zu sagen, verstehen Sie?“
„Aha“, sagte ich. „Habe ich denn was verbrochen?“
„Nein, wir wollen jetzt erst etwas verbrechen. Sie sollen einen Kaffee machen, einen, der es in sich hat, und dann spendieren Sie ein paar Stück von dem Gebäck, und dann erholen wir beiden Alten -haben Sie gehört, daß ich ,Alten’ sagte? - uns von all dem Trubel am Kamin.“
„Gut“, sagte ich, „Kaffee und Kostproben kommen,“
„Wissen Sie, Beate“, sagte der Doktor, als wir unseren Kaffee getrunken hatten, „ich freue mich unbändig auf Weihnachten. Ich alter, nüchterner Griesgram - ich freue mich so, wie ich mich die letzten... die letzten...“
„...fünf Jahre?“ half ich ihm aus. Da huschte ein Schatten über sein Gesicht. „...die letzten vierzehn Jahre nicht gefreut habe, Beate. Gute Nacht.“
Er warf mir noch einen Blick zu und ging still aus dem Zimmer.
Eine Begegnung und ein Anruf
Weihnachtsprüfungen. Bernt war der Beste in der Klasse. Die Zwillinge waren, genau wie immer, vergnügte, sorglose „Mittellage“.
Geheimnisvolle Gesichter. Bernt und der Doktor steckten drinnen im Arbeitszimmer die Köpfe zusammen, und eines Tages teilten sie mir mit, daß sie zum Essen nicht nach Hause kämen. Bernt sollte
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