Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
führen.“
Anja schluckte vor Erstaunen. „Das ist doch natürlich dein gutes Recht. Und wenn ich richtig verstanden habe, so sind die Mittel für deine Ausbildung auch vorhanden?“
„Zum Glück. Andreas muß mir nur helfen, mich bei der Schule anzubringen; dann muß ich sehen, daß ich in Oslo ein Zimmer finde.“
„Freust du dich auf Oslo?“ Katrin lächelte, sie schaute vor sich
hin. Dann drehte sie sich zur Schwägerin um:
„Ja“, sagte sie. „Ja, ich freue mich. Ich freue mich wahnsinnig. Ich will nur hoffen, das alles klappt.“
„Aber du kannst wirklich auch mit gutem Gewissen fortgehen, Katrin. Du hast in diesen Jahren sehr viel für deine Brüder getan.“ Am andern Morgen brachte der Laufjunge vom Dorfkaufmann einen Eilbrief - einen aufregend aussehenden Brief mit „Expreß“ in Rot in der einen Ecke. Einen Augenblick blieb Katrin mit offenem Munde stehen. Sie wußte kaum, was ein Eilbrief war. Sie hatte in ihrem Leben nicht allzu viele Briefe bekommen und Eilbriefe schon gar nicht.
Aber hier stand in klarer und deutlicher Damenschrift „Fräulein Katrin Rössler, Eschenheim, Silberfjord“.
Katrin riß den Brief auf - drehte die beiden dichtbeschriebenen Bögen hin und her, suchte nach der Unterschrift - da war sie: „Mit den herzlichsten Grüßen - Ihre Beate Rywig.“
Katrin hüpfte das Herz bis zum Hals hinauf - sie blieb stehen, wo sie gerade stand - es war zufällig mitten im Windfang - , und las: „Liebe Katrin! Wir sehen uns zwar am Samstag bei Anja, aber ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen und glaube, es ist besser, wenn Sie darüber nachdenken und mit Ihren Brüdern darüber sprechen, bevor wir uns wiedersehen. Auf einer Verlobung hat man meist nicht viel Muße zu langen und ungestörten Unterhaltungen unter vier Augen.
Als Sie mich gestern nach Hause fuhren, kam mir ganz plötzlich ein Gedanke, und wenn mir ein Gedanke kommt, muß ich ihn stehenden Fußes in die Tat umsetzen. Darum läutete ich bei uns zu Hause an - ich habe mit meinem Mann und mit Senta ein endlos langes Gespräch geführt. Nun hören Sie, was wir ausklamüsert haben:
Ob wir uns nicht gegenseitig von einigem Nutzen sein können, Sie und wir? Sie brauchen ein Zimmer in Oslo, und sicherlich würden Sie am liebsten in einer Familie wohnen, nicht so allein ,auf Zimmer’. Außerdem kommt es furchtbar teuer, ein Zimmer zu mieten, und täglich auswärts zu essen. Wir dagegen brauchen ein junges Mädchen, das ein wenig von Hausarbeit versteht und bereit wäre, sich mit Senta in die häuslichen Pflichten zu teilen - und Auto fahren kann.
Ja, es hört sich komisch an mit dem Autofahren. Aber ich will es Ihnen näher erklären: Sie wissen, mein Mann ist Chirurg, und wenn irgend jemand eine sichere und ruhige Hand haben muß, dann eben ein Chirurg. Hat mein Mann eine besonders schwierige Operation vor, dann läßt er seinen Wagen stehen und nimmt ein Taxi - er muß seine Hände schonen. Wenn Sie nun bei uns wohnten, würden Sie dann nicht meinen Mann in solchen Fällen fahren?
Ich bat Senta am Telefon auch, sich wegen der Technischen Schule zu erkundigen. Zufällig wußte sie Bescheid: einer ihrer Schulkameraden hatte versucht, sich anzumelden, aber für dieses Jahr ist es nicht mehr möglich. Abendkurse sind noch frei. Falls Sie sich dazu entschließen sollten, hätten Sie dann nicht Lust, bei uns zu wohnen? Sie müßten das Zimmer mit Senta teilen, aber zwei so frische junge Mädchen sollten sich doch vertragen können? Senta ist die gute Laune in Person, und ich darf behaupten, daß sie eine großartige Kameradin ist.
Bei uns zu Hause ist Unruhe, Lachen und Betrieb, darauf muß ich Sie vorbereiten, aber wir haben es gut und leben in Frieden und Eintracht - und in Liebe! - miteinander! Natürlich gibt es viel zu tun. Senta ist tüchtig. Aber ihr täte ein wenig Hilfe gut.
Haben Sie Lust dazu, Katrin? Sie wüßten dann, daß Sie in eine Häuslichkeit kämen; und wir wüßten, daß wir einen fabelhaften Fahrer im Hause hätten und dazu eine hilfsbereite Hand, wenn es in der Küche einmal ein bißchen drunter und drüber geht.
Sollte es aber mit den Abendkursen auch nicht klappen, so daß Sie noch ein Jahr mit Ihrer technischen Ausbildung warten müßten -wollen Sie dann nicht trotzdem zu uns kommen, falls Sie nichts Besseres vorhaben? Es wäre doch gar nicht so schlecht, sich in Oslo ein bißchen zu akklimatisieren. Außerdem ist solch ein Jahr mit Haushalt und anderer Arbeit für ein junges Mädchen
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