Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
dem Augenblick, als sie das sagte, die mich dazu trieb.“
„Ihr müßt tausendmal entschuldigen“, sagte Katrin, als die Brüder nach Hause kamen. „Ich wollte ein Fischragout machen, und stellt euch vor, ich habe es dann total vergessen, nachdem ich es zum Schmurgeln im Topf hatte, und nun ist es ganz schlimm angebrannt. Ihr dürft also nicht böse sein, wenn ihr nur gebratenen Speck und Eier bekommt.“
Die Brüder wechselten schnell einen Blick. Es war das erste Mal, daß Katrin sich wegen irgend etwas entschuldigte.
Paul lachte gutmütig.
„Gebratener Speck, hm, das werden wir wohl überleben, Schwesterchen. Aber sag mal, wo warst du denn mit deinen Gedanken, daß du das Ragout hast anbrennen lassen?“
„Ich habe im Lexikon geschmökert.“
„Im Lexikon? Wolltest du nachsehen, wie Ragout geschrieben wird?“
„Nein, ich wollte wissen, was akklimatisieren bedeutet.“ „Akklimatisieren? Das bedeutet, sich eingewöhnen, sich
einleben, sich - “
„Jaa, ich weiß es jetzt. Und ich kann euch berichten, daß ich nach Oslo gehe und mich - mich akklimatisiere.“
Allmähliche Wandlung
„Herzensschwester“, lächelte Andreas, als er am Freitag vom Büro nach Hause kam. „Hättest du etwas dagegen, morgen um sechs Uhr aufzustehen?“
„Sieh mal an, was ist denn nun los?“
„Schwester Lena kommt. Und dir fällt die schöne Aufgabe zu, sie in Kristiansand vom Flugzeug abzuholen.“
Katrins Miene strahlte auf. „Na klar! Und wenn ich um drei Uhr aufstehen müßte.“
„Ja, das glaube ich gern. Du fährst also um sieben oder so hier weg, Paul und ich nehmen den Bus in die Stadt. Das Flugzeug kommt gegen zehn, wenn ich mich nicht irre.“
„Abgemacht. Ich werde um sieben Uhr abbrausen. Und nun müßt ihr rasch essen, und wenn ihr auch die Küche machen würdet, so wäre das engelhaft, denn ich muß die Kammer für Lena richten, und es muß schnell gehen.“
„Sehr wohl, mein Fräulein. Die Küche wird gemacht. Aber schnell essen können wir nicht, dazu ist das Essen viel zu gut. Was ist denn bloß in dich gefahren, Katrin? Du kochst ja, als wärest du ein internationaler Meisterkoch.“ Katrin wurde rot vor Freude. „Ich muß doch üben, damit ich es mit Senta Rywig aufnehmen kann.“ „Freust du dich?“
„Na und ob. Aber höre mal, Andreas, mir ist noch was eingefallen. Ob ich nicht die technischen Abendkurse fallen lasse und mich statt dessen bloß in Oslo akkli-akkli-akkli-matisieren sollte
- und mich dann fürs nächste Jahr rechtzeitig zu dem normalen, ordentlichen Vormittagsunterricht anmelde?“
„Das ist gar kein dummer Gedanke“, pflichtete Andreas ihr bei. „Und wenn du bei Rywigs Lohn bekommst, kannst du nicht gut den halben Tag für Schulaufgaben und Unterrichtsstunden verwenden.“ „Ja, und wenn ich zum Beispiel Rywig ausgerechnet in dem Augenblick, wo ich in die Schule muß, zu einer gefährlichen Operation fahren muß.“
„Du, höre mal, Katrin“, sagte Paul. „Du mußt immer daran denken, Herr Doktor zu sagen und nicht einfach Rywig. Doktor Rywig heißt es. Und wenn du mit ihm sprichst, natürlich erst recht. Darf ich Sie fahren, Herr Doktor - möchten Sie noch mehr Kartoffeln, Herr Doktor - soll ich auf Sie warten, Herr Doktor - .“
„Weißt du, im Grunde ist das doch Blödsinn“, sagte Katrin.
„Sag das nicht. Wenn ich mit meinem Vorgesetzten rede, sage ich auch immer Herr Doktor - und Andreas sagt Herr Direktor zu seinem Chef - das ist unter wohlerzogenen Menschen so üblich.“ „Dann muß ich mir Mühe geben, wohlerzogen zu sein“, sagte Katrin.
„Ja, siehst du, hier auf dem Lande kommt es nicht so darauf an“, erklärte Paul weiter. „Hier kennen sich die Leute von der Wiege an, und das ganze Dorf ist wie eine einzige Familie. Die meisten sagen du zueinander - aber wenn du in eine Großstadt kommst und mit Städtern verkehrst, dann mußt du dich den herrschenden Gebräuchen anpassen und dir die Dinge aneignen, die dort Sitte sind.“
„Äx“, machte Katrin.
„Sei du nur froh“, lächelte Paul. „Andreas und ich haben dich leider vernachlässigt, das merken wir jetzt allmählich - und da ist es nur gut, wenn du in einer ordentlichen Familie das lernst, was wir dir hätten beibringen müssen.“ Über Katrins Gesicht flog ein Schatten. „Bin ich denn so furchtbar dumm?“
„Aber Kind, wer sagt denn das? Du bist nicht dumm, im Gegenteil, nur eben auf vielen Gebieten unerfahren. Aber es wird schon alles gehen. Wenn du irgendwann im
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