Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
-“
„Hast du dich inzwischen anders entschieden?“
„Ja - nein - das heißt - bitte lache mich nicht aus, Bernt - ich habe mich, so verwegen es klingt, entschlossen, zuerst, die Mittelschulprüfung nachzumachen. “
„Weshalb sollte ich denn lachen? Das ist doch riesig vernünftig.“
„Ja, weißt du, es kam so, daß ich anfing, mir Sentas Schulbücher genauer anzusehen und auf eigene Faust zu lernen - und es ist gar nicht so schwer. Viel davon habe ich schon in dem Jahr in der Fortbildungsschule gehabt - -“
„Hast du die Fortbildungsschule besucht? Das ist ausgezeichnet, dann hast du allerdings eine gute Grundlage.“
Katrin faßte Mut. „Ich habe zu niemandem davon gesprochen außer zu Senta - und sie ist so nett, sie nimmt mir einen Haufen Arbeit ab, damit ich Zeit zum Lernen habe. Als deine Eltern in Stockholm waren, saß ich zwei ganze Tage lang, vom Morgen bis zum Abend, über den Büchern und arbeitete in einem Zuge.“ Jetzt war Bernt ganz bei der Sache.
„Das ist aber glänzend, Katrin. Wenn ich dir dabei irgendwie unter die Arme greifen kann, dann sag es nur. Auf alle Fälle kann ich dir bei der Botanik helfen.“
„Ach, wie herrlich. Du, vor der habe ich ja gerade solchen Bammel.“
„Das brauchst du aber nicht. Ich bleibe ja von jetzt an zu Hause, es wäre ja noch schöner, wenn wir das bißchen Botanik nicht in deinen Schädel hineinbekämen. Und es ist ja noch ein ganzes halbes Jahr Zeit, bis du in die Prüfung steigst.“
„Ein halbes Jahr? Bist du nicht gescheit, ich fange doch erst zum Herbst mit dem einjährigen Kursus an. Die Arbeit, die ich jetzt mache, das ist doch nur - das sind doch nur Vorbereitungen, damit ich nicht ganz blöde bin, wenn ich im Kurs anfange.“
„Unsinn, weshalb willst du ein ganzes Jahr zum Fenster hinauswerfen? Wenn du wirklich Freude an der Arbeit hast und begreifst, was du lernst - dann mach doch so weiter, arbeite, soviel du kannst, und melde dich im Juni zur Prüfung an, es gehört doch nur ein bißchen Mut dazu.“
Katrin wurde es schwarz vor Augen. „Bist du wahnsinnig, Bernt? Das schaffe ich nie.“
Bernt hängte das Handtuch weg. „Hör mal, Katrin. Ich weiß ganz genau, was es heißt, hintereinanderweg zu büffeln, das tue ich ja ständig. Ich weiß, wie unglaublich viel man in seinen Kopf hineinstopfen kann, wenn die Lust einen treibt. Erlaubst du mir, dich
- ja, wie soll ich es nennen - dich ein bißchen zu prüfen? Eine Art Vorprüfung abzuhalten und zu sehen, wieviel du schon gelernt hast?“
„Bernt, würdest du das wirklich tun?“
„Sowie sich eine Gelegenheit bietet, das verspreche ich dir. Du mußt wissen, dies interessiert mich. Die Familie behauptet, ich sei ein Bücherwurm, etwas ist wahrscheinlich auch dran - und mir macht es riesigen Spaß, wenn ich andere Bücherwürmer kennenlerne.“
Die Gelegenheit kam eher, als sie ahnten. Am selben Nachmittag schloß Beate sich ein, um letzte Hand an die Weihnachtsgeschenke zu legen. Senta hatte ihren freien Tag und zog mit Sonja in die Stadt. Dr. Rywig war in der Klinik, und Hans Jörgen ging zu Lieselotte nach nebenan und nahm den Kleinsten mit. Katrin und Bernt blieben allein zu Haus.
„Renn schnell ‘rauf und hole deine Bücher, Katrin“, sagte Bernt. „Und die Mathematikaufgaben, die du ausgerechnet hast.“
Katrin rannte. Und kam schwer beladen wieder zurück. „Wie ist es mit Englisch?“ fragte Bernt. „Tja - ich weiß nicht recht.“
Bernt schlug das Buch aufs Geratewohl auf und reichte es Katrin: „Lies das und übersetze es.“
Sie, gehorchte. Beim Lesen stammelte sie ein wenig, aber das Übersetzen ging glatt.
„Deine Aussprache würde ich mit ziemlich gut beurteilen, das Übersetzen mit gut“, stellte Bernt fest. „Und Deutsch?“ „Schauerlich.“
Das mußte Bernt ihr bestätigen. Die Aussprache war ziemlich schauerlich, aber er hörte sie in Grammatik ab, und das ging wie geschmiert.
Er schaute sie voller Bewunderung an. „Hast du das alles allein geschafft? Ganz ohne Hilfe?“
„Ja natürlich.“
„Famos, Katrin. Du mußt ein ausgezeichnetes Lernhirn haben.“
Er machte kleine Stichproben in Geographie, Physik und Mathematik und fragte, wie es mit Norwegisch stehe. „Das schaffe ich leicht. Ich glaube, einen gewöhnlichen Aufsatz könnte ich so schreiben, daß ich mir ein ,Gut’ holen könnte. Und Literaturgeschichte und so was, ja, da heißt es einfach nur, zu lesen und es zu behalten.“
„Und lesen und behalten kannst du“,
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