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Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Ich wollte heut abend zurückfahren. Nach München.“
    „Hören Sie, Anke, das geht nicht. Das Beste, was Sie machen können, ist schlafen! Senta und ich sind ja allein im Haus und können uns einrichten, wie wir wollen. Nun essen Sie, dann machen wir Ihnen ein Zimmer zurecht, und Sie legen sich hin! Ich wecke Sie dann zu einem sehr späten Mittagessen. Während Sie schlafen, werde ich mir sehr, sehr überlegen, ob wir etwas für Sie tun können -und was!“
    „Sonja, Sie sind so schrecklich lieb zu mir.“
    „Von wegen! Erstens, wenn Sie meinen, daß ich lieb bin, bin ich es gern, zweitens dürfen Sie nicht vergessen, daß ich allen Grund habe, Ihnen dankbar zu sein. Wenn ich nun heut zu Peter gegangen wäre...“
    „Gehen Sie denn nicht?“
    „Nein, das tu ich nicht. Darauf können Sie sich verlassen! Aber was ich fragen wollte, Anke: Wenn Peter Sie nun heiraten wollte, wegen des Kindes. würden Sie das wirklich tun? Lieben können Sie ihn ja nicht, das wäre unmöglich. Aber würden Sie es tun, damit das Kind ehelich geboren würde?“
    „Ich. ich glaube, ja. Natürlich könnte er, wenn er wollte, nach der Geburt die Scheidung kriegen. Nur des Kindes wegen würde ich es tun. Aber vor allem hätte ich mit ihm über die Finanzen reden wollen, er ist ja verpflichtet. und was mache ich bloß? Wie sage ich es meiner Mutter? Und wie soll es weitergehen? Mutti hat nur ihre Pension, und ich habe ein Darlehen, damit ich studieren kann. und jetzt muß ich aufhören. Ich sehe keinen Ausweg, Sonja. Ich sitze hier allein mit all den Problemen, und Peter. Peter, der doch mindestens neunzig Prozent Schuld hat - ja, die zehn Prozent nehme ich auf mich, ich habe ja mitgemacht -, Peter kümmert sich überhaupt nicht, denkt keine Sekunde daran, daß er für sein Kind eine Verantwortung hat!“
    „Ja, ich verstehe es, Anke. Ich verstehe Ihre Probleme. Wenn ich bloß.“
    Anke hatte wohl meine Gedanken erraten, denn sie sagte:
    „Wenn Sie wollen, dürfen Sie gern Ihrer Schwester die ganze Geschichte erzählen.“
    „Das ist mir eine große Erleichterung. Wir werden versuchen, einen Ausweg für Sie zu finden. Wissen Sie, Sie sind schließlich nicht das erste Mädchen auf der Welt, dem es so ergangen ist, und viele große und bedeutende Menschen sind unehelich geboren! Aber jetzt müssen Sie ins Bett, Anke. Essen Sie das letzte Brötchen, während
    ich das Ben beziehe!“
    Eine Viertelstunde später lag Anke schön warm eingepackt in Frau von Waldenburgs Bett. Ich ließ sie allein. Ich mußte denken. Und ich mußte mit Senta sprechen.
    Gott sei Dank! Ich hörte Bickys Bellen im Garten und gleich darauf den Schlüssel in der Haustür.

Das schönste Weihnachtsgeschenk
    Anke blieb zwei Tage bei uns.
    „Weißt du, was ich tue?“ meinte Senta, als ich ihr die ganze traurige Geschichte erzählt hatte. „Ich schreibe Frau von Waldenburg! Sie ist ein großartiger Mensch, und so praktisch und nüchtern. Sie wird wissen, was Anke unternehmen muß, um jedenfalls zu ihrem Geld zu kommen. Sich vorzustellen, der Schuft sollte jetzt in seinem eigenen Wagen rumfahren, während die Mutter seines Kindes hilflos dasitzt!“
    Was Senta sich vornimmt, wird gleich erledigt. Am folgenden Tag ging ein langer Luftpostbrief nach Argentinien.
    Mehr konnten wir für Anke nicht tun. Das heißt, wir versuchten, lieb zu ihr zu sein, wir sorgten dafür, daß sie sich bei uns etwas ausruhen und erholen konnte. Das, was sie vor allem quälte, war der Gedanke an ihre Mutter. Sie hatte keine Geschwister, sie bedeutete für die Mutter alles.
    „Nicht, daß Mutti eine große Szene machen wird, geschweige denn mich aus dem Haus werfen, wie man es früher mit einer solchen Tochter tat“, sagte Anke. „Aber es wird ihr wahnsinnig weh tun.“
    Immerhin... der verzweifelte Ausdruck vom ersten Tag wich dem Ausdruck von stillem Nachdenken. Sie versuchte sogar, etwas zu planen, dachte nach, ob sie nach der Geburt ihre Studien doch fortsetzen könnte.
    „Wenn ich erst mein Staatsexamen habe, werde ich es schaffen“, meinte sie.
    „Und das sollst du schaffen!“ sagte Senta. Senta war es, die gleich am ersten Abend vorgeschlagen hatte, daß wir uns duzen sollten. „Peter muß für dich sorgen, bis das Kind da ist, und für das Kind, bis du dein Examen gemacht hast. Wenn du dann Zahnärztin geworden bist, werde ich jeden Tag Bonbons kauen, damit ich lauter Löcher in die Zähne kriege, damit du nicht arbeitslos wirst!“
    Da sahen wir Anke zum ersten Mal lächeln.

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