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Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Wie gut ihr das stand! Das blasse kleine Gesicht wurde direkt hübsch!
    Senta nahm mir etwas ab, wovor es mir furchtbar gegraut hatte: Als es nachmittags klingelte, machte sie die Haustür auf. Ich stand im Wohnzimmer, das Ohr an die Tür gedrückt.
    „Na, Sonnielein, schon fertig?“ hörte ich Peters Stimme.
    „Ich bin Senta. Sonja läßt sagen, daß sie nicht mitkommen kann. Wir haben Besuch gekriegt.“
    „Nanu?“ Peters Stimme klang überrascht. „Besuch... aus Norwegen?“
    „Nein. Aus München.“
    „Du. du bist so komisch, Senta. Was ist denn los?“
    „Sehr viel ist los, Peter. So viel, daß ich dir raten möchte, lieber zu gehen und dich nicht mehr bei uns sehen zu lassen.“
    „Hör, Senta, das lasse ich mir so nicht bieten! Was zum Teufel hat das alles zu bedeuten?“
    „Es hat nur zu bedeuten, daß unser Besuch aus München ein junges Mädchen namens Anke ist. Anke Scharner. Vielleicht kennst du sie?“
    Von Peter kam ein Ausruf, ich verstand die Worte nicht. Gleich darauf wurde die Haustür zugeknallt. Dann hörten wir Schritte durch den Garten. Ein Motorroller wurde gestartet, und Peter verschwand aus meinem Leben.
    Als ich zwei Tage später Anke zum Bahnhof gebracht, sie in den Zug gesetzt und ihr zugewinkt hatte, war ich eigentlich nur von einem einzigen Gedanken erfüllt: Möge Anke die richtigen Worte finden, wenn sie ihrer Mutter alles erzählt! Möge ihre Mutter so viel Liebe und Güte besitzen wie meine - wie unsere geliebte Beatemutti!
    Das hatte ich Anke auch gesagt. Was sie jetzt mehr als alles andere brauchte, war eine gute, hilfreiche Mutter.
    Ich setzte mich in den Bus und fuhr nach Hause. Meiner Schwester gab ich eine Riesenumarmung. Worte waren überflüssig.
    „Weißt du was, Sonnie?“ meinte sie eine Weile später. „Seit zwei Tagen hast du das Wort Afrika kein einziges Mal gesagt!“
    „Das Merkwürdige ist, daß ich auch nicht daran gedacht habe“, sagte ich. „Siehst du, es geschehen also wirklich Dinge auf dieser Welt, die einen noch mehr beeindrucken als eine bevorstehende Afrikareise!“
    Nach einigen Tagen kam ein Brief von Anke.
    Sie bedankte sich in sehr herzlichen Worten bei Senta und mir, und dann schrieb sie:
    „Ich muß Euch erzählen, daß ich mit Mutti gesprochen habe. Sie weinte, sie war unglücklich, aber sie blieb ganz ruhig. Ich werde nie, nie in meinem Leben vergessen, was sie mir sagte:
    ,Mein kleines Mädelchen, jetzt brauchst du mich mehr denn je.
    Gib mir ein wenig Zeit zum Überlegen, was wir jetzt machen können.’
    Dann küßte sie mich, und kein einziges Wort des Vorwurfs kam über ihre Lippen. Sie wird das Kind betreuen, bis ich mit meinen Studien fertig bin. Als ich aus Erleichterung und Dankbarkeit und Schamgefühl anfing zu heulen, streichelte sie mich und sagte:
    ,Ankelein, wir müssen uns mit der Situation abfinden, so wie sie ist. Wir wollen nicht versuchen, zu verheimlichen, etwas wegzulügen oder abzustreiten. Die Leute sollen nicht hinter vorgehaltener Hand flüstern: Habt ihr’s gehört, die Anke Scharner kriegt ein Kind!
    - Wenn es nun so ist, dann geben wir es zu und machen kein Geheimnis daraus.’
    Ich frage Euch bloß: Habe ich vielleicht eine wunderbare Mutti?
    Vielleicht wird es mir gehen wie Bickylein: Sie freut sich über ihre Kinder und denkt bestimmt nie an den Vater der Babys! In diesem Punkt haben die Tiere es gut. Mensch zu sein ist oft komplizierter. Aber, wer weiß. Vielleicht werde ich mein Kind so lieben, daß ich allmählich nicht mehr daran denke, wie und warum... oder mit wem.
    Liebe Sonja, liebe Senta, es geht mir jetzt viel besser. Ich weiß, daß die Welt wegen dieser Geschichte nicht untergeht, ich weiß, daß ich bald die Verantwortung für einen zweiten Menschen tragen werde. Ich nehme die Verantwortung auf mich und werde versuchen, meinem Kind eine so gute Mutter zu sein, wie meine Mutter es mir gewesen ist und jeden Tag ist!
    Ich würde aber keinem Mädchen raten, so zu handeln, wie ich es getan habe. Das bißchen gestohlene Glück habe ich mit so viel Tränen und so viel Verzweiflung bezahlt, daß es der wildeste Wucherpreis war. Ich möchte es von den Dächern rufen, ich möchte es an die Wände schreiben, ich möchte es jedem Mädchen auf der Welt sagen.
    Meine lieben beiden, von ganzem Herzen wünsche ich Euch ein schönes, harmonisches Weihnachtsfest.“
    Ja, in wenigen Tagen war Weihnachten!
    Senta stand in der Küche und buk Weihnachtskuchen nach norwegischen Rezepten. Ich schmückte die

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