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Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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ein langer Tisch für unsere Gruppe reserviert. „Reserved for Magellan Group“ stand auf einem Schild. Ja, unser Reiseunternehmen hieß „Magellan Ltd.“. Das Reiseunternehmen, wo Tante Helene wahrscheinlich Hauptaktionärin war. Sie hatte mir erklärt, daß das der Hauptgrund war, warum sie so wenig wie möglich auffallen möchte. Denn wenn jemand erführe, daß sie hier stark engagiert war, dann hätten wir den Salat! Dann würde sie alle Fragen und alle Beschwerden kriegen. Als eine ganz uninteressante Mrs. Robinson konnte sie ungestört ihre Beobachtungen machen und selbst eventuelle Änderungen vorschlagen - und ihre Ruhe haben!
    „Und ich?“ hatte ich gefragt. „Vergiß nicht, daß etliche Millionen Menschen mich vor ein paar Wochen auf dem Bildschirm gesehen haben - in einem Mary-Green-Team! Wenn sie mich nun wiedererkennen und fragen?“
    „Ja, leugnen kannst du es ja nicht“, sagte Tante Helene. „Aber daraus brauchen die Leute ja nicht unbedingt zu schließen, daß ich die Verwalterin der Stiftung bin und Mitinhaberin des Magellans.“ Am Tisch lernten wir die restliche Gruppe kennen. Ich konnte ja nicht gleich alle auseinanderhalten - aber ich merkte mir einen lustigen jungen Mann mit munteren Sommersprossen und einem roten Vollbart - er entpuppte sich übrigens als Lehrer - , dann zwei Damen „reiferen Alters“ die ungeheuer reisetrainiert wirkten, sehr schlicht und praktisch angezogen waren und hin und wieder Worte fallen ließen wie „ach, in Ceylon war es doch viel wärmer“ oder „der Flug nach Kanada war längst nicht so ruhig wie dieser“ und ähnliches. Sie waren Schwestern, hörten auf den nicht grade ungewöhnlichen Namen Smith und waren, wie es sich im Laufe der Weiterreise zeigte, immer recht nett und hilfsbereit.
    Diese zwei und der Rotbärtige, Ehepaar Stone, Frau Werner und ihre Zimmergenossin und dann Tante Helene und ich saßen alle an dem einen Ende des Tisches. In der Mitte Mr. March, und am anderen Tischende die zweite Hälfte der Gruppe.
    Die Menükarten waren auf chinesisch und auf englisch gedruckt. Ich mußte plötzlich an eine Geschichte denken, von einer jungen Dame, die ein Kleid mit chinesischen Schriftzeichen von einer Speisekarte dekoriert hatte. Als sie zufällig einen Chinesen traf, bekam er einen Lachkrampf. Das, was auf dem Kleid stand, bedeutete nämlich: „Sehr wohlschmeckend und nicht zu teuer.“
    Ich erzählte die Geschichte, alle lachten, und dieses Gelächter brachte uns einander näher. Es dauerte nicht lange, bis ein Gespräch im Gange war.
    „Daß man noch diese unmöglichen Schriftzeichen benutzt“, sagte Mrs. Henderson. „Und dann sage jemand, daß das neue China fortschrittlich ist!“
    „Die Schriftzeichen sind ein wahrer Segen für China“, sagte der Rotbärtige, der übrigens auf den Namen Nicol hörte.
    „Aber Hongkong ist ja nicht China“, meinte Mr. Connor. „Hongkong ist ja eine britische Kronkolonie!“
    „Ach du liebe Zeit!“ rief ich. „Daran habe ich nicht gedacht! Letzten Endes sind wir vielleicht gar nicht in Asien, sondern in Großbritannien!“
    „Na, in Asien sind wir schon“, schmunzelte Tante Helene. „Jedenfalls ganz bestimmt hier in Kowlon, auf dem Festland. - Bitte, nur ein Stück Fisch und etwas Gemüse“, wandte sie sich an den
    Kellner, der sich die Bestellungen notierte.
    Ich wählte ein chinesisches Gericht. Erstens bin ich wahnsinnig neugierig auf alle fremden Speisen, zweitens hat meine kochfreudige Schwester Senta so oft chinesisch gekocht - sie hat ein dickes chinesisches Kochbuch und ein Gewürzregal, um das jeder Meisterkoch sie beneiden konnte - , daß ich das größte Vertrauen zu der chinesischen Küche habe.
    Bei jedem Gedeck lagen sowohl ein europäisches Besteck als auch Stäbchen. Mrs. Connor betrachtete die letzteren und zuckte die Achseln.
    „Und damit ißt man im zwanzigsten Jahrhundert!“ äußerte sie. „Wie liegen die heute doch hier weit zurück!“
    „Wenn wir es nicht sind, die zurückliegen“, sagte Mr. Nicol.
    „Wir, die wir so tolpatschig sind, daß wir das Essen mit vier Zinken in den Mund verfrachten müssen und nicht die elegante Kunst des Stäbchenessens beherrschen. Und es ist jedenfalls eine Tatsache, daß es viel mehr Menschen auf der Erde gibt, die mit Stäbchen essen und nicht mit Gabeln!“
    Das Essen wurde gebracht, und dann hatte ich meinen großen Augenblick. Dank meiner energischen Schwester hatte ich nämlich das Stäbchenessen schon mit sechzehn Jahren

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