Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
Schaukel, aus breiten, grobgewebten Bändern angefertigt, gesetzt. Das Ding wurde mit Hilfe von Schultergurten auf dem Rücken getragen, das Kind saß mit baumelnden Beinchen da und schien sich immer sehr wohl zu fühlen.
So ein Ding müßte doch auch wahnsinnig praktisch für europäische Mütter sein, überlegte ich mir. Man kann nicht immer auf jeder Reise und auf jedem Sonntagsausflug einen Kinderwagen mitschleppen. Ob ich wohl versuchen sollte, einer Papuafrau so ein Geschirr für Senta abzukaufen? Oder vielleicht zwei? Vielleicht würde ich es auch selbst einmal brauchen?
Einmal sahen wir am Straßenrand einen Mann mit einem großen, breiten Hut, die Form sah aus, als hätte er sie von einem NapoleonBild abgeguckt. Es war eine Art quergetragener Zweispitz. Anscheinend aus Pelz oder Haaren gemacht, das mußte ja schrecklich warm sein, bei dieser sengenden Sonne!
Unser Fahrer klärte uns auf. Er war selbst ein Papua und ein dienstbeflissener Dolmetscher. Der seltsame Zweispitz war aus Menschenhaaren gemacht, und zwar von den verstorbenen Verwandten des Trägers.
Einmal sahen wir eine Frau, der an zwei Fingern das äußerste Glied fehlte. Unser David - der Fahrer - erklärte, wenn ein Kind stirbt, wird der Mutter ein Fingerglied abgehackt. Warum wohl? Vielleicht will sie damit ihre Trauer ausdrücken?
Daß die Papuas ihre Frauen vom Schwiegervater kaufen mußten, hatten wir schon gehört. Wir fragten David, wieviel man für eine hübsche junge Frau zahlen müsse. Ja, selbst habe er drei Schweine und acht Hühner bezahlt, aber dafür hatte er auch eine wunderbare Frau gekriegt!
Es wurden sehr viele Witze unter den Eheleuten im Auto ausgewechselt! „So viel hättest du nie für mich bezahlt!“ meinte Mrs. Connor.
„Aber natürlich hätte ich das!“ versicherte ihr Mann. „Ich hätte sogar ein paar Hühnchen dazugelegt! Das ist doch alles eine einmalige Ausgabe. Für den Rest des Lebens brauchte ich mich dann nie um Garderobe für dich zu kümmern, keine einzige Schneiderrechnung zu zahlen!“
„Ein bißchen gehandelt hätte ich schon“, sagte ein anderer Ehemann. „Vielleicht hätte dein Vater sich mit zwei Schweinchen begnügt!“
„Ich hätte nie einen Mann gekriegt!“ lachte Mrs. Henderson. „Es war schwer genug ohne Schweine und Hühner!“
Ich werde gelegentlich Heiko fragen, wieviel er für mich hätte zahlen wollen!
Das kleine Tierreservat oben im Gebirge war entzückend. In großen Volieren hielt man dort eine Menge bunter Vögel, vor allem Papageien. In geräumigen Gehegen lebten Baumkänguruhs, Wallabies und Kuskus, mollige kleine Wesen mit den großen, runden Augen der Nachttiere. Zum ersten und bis jetzt einzigen Mal im Leben sah ich auch Kasuare, diese großen, mächtigen Laufvögel, die nur in Neuguinea leben. Ganz frei und ohne Gitter saß ein großer Vogel, ein schwarzer Hornbill, mit einem imposanten, zitronengelben Schnabel, auf einem Baum dicht an dem Campingplatz. Er posierte in gekonnter Weise vor den Fotolinsen, nahm uns manierlich Leckerbissen aus der Hand und ließ sich durch nichts aus der Fassung bringen.
Auf dem Rückweg hielten wir in einem Papuadorf. Wir durften frei herumgehen, unterhielten uns, zum Teil per Dolmetscher, zum Teil mit ein paar englischen Worten, zum Teil per Fingersprache -mit den Kindern hauptsächlich per Bonbonsprache!
David fragte ein paar Frauen nach „Tragegestellen“ für die Babies, und es entstand eine freudige Aufregung. Sie liefen in das „Frauenhaus“, sie schnatterten vergnügt, und zuletzt erschienen zwei Frauen - eine ganz junge, bildhübsch in ihrer braunen Nacktheit, und eine alte Oma, die irgendwie rührend wirkte. Ihr Körper war mager und voll Falten, ihr Busen war so klein und schlaff und verbraucht, ihre Arme so mager und lederartig. Sie lächelte aber vergnügt mit ihrem zahnlosen Mund und brachte mir ein Geschirr, die junge, hübsche reichte mir auch eins. Der Preis war äußerst bescheiden. Ich zahlte mehr als gern und gab meine ganzen restlichen Bonbons dazu.
Wie ich die Dinger saubermachen sollte, wußte ich noch nicht. Aber eine Waschmaschine oder eine chemische Reinigung würde wohl dieses Problem lösen. Nicht nur sagenhaft schmutzig waren die Geschirre, sie stanken auch unbeschreiblich. Kein Wunder! David hatte uns gerade erzählt, daß die Männer in einem Haus für sich wohnten, in einem anderen wohnten die Frauen und die Schweine. Ich hatte den Verdacht, daß meine Neuerwerbungen in der Schweineecke gelegen
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