Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
Wäre es möglich, daß - nein, es war etwas anderes - ich klammerte mich an die Waschbeckenkante, konnte mich kaum auf den Beinen halten. Da sprang die Tür auf, und ich taumelte ins Zimmer.
    Tante Helene machte gerade die Augen auf und murmelte: „Ist dies eine Art, eine alte Tante zu wecken, laß doch das Rütteln.“ Dann sah sie mich am anderen Ende des Zimmers. Wie ein Blitz war sie aus dem Bett und griff nach dem Morgenrock.
    Im gleichen Augenblick hörten wir die Stimme von Mr. March draußen auf dem Korridor: „Alles raus, sofort! Schnell in den Garten! Erdbeben!“
    Aus allen Zimmern strömten sie raus - Frauen mit Lockenwicklern, Männer mit einer rasierten Gesichtshälfte, ein paar kamen naß, direkt aus dem Bad. Die beiden Schwestern Smith waren schon ganz angezogen, mit Handtaschen und Paß unter den Arm geklemmt. Entsetzte, blasse Gesichter, verwirrte Fragen.
    Wir standen vor dem Haus, neben einem Schuppen! Wir warteten
    - worauf? Das Beben hatte aufgehört, warum standen wir dann noch hier?
    Jemand fragte leise und ängstlich.
    Es kam auch eine Antwort, eine sachliche, nüchterne Antwort. Und sie kam von der Person, von der ich es am allerwenigsten erwartet hatte.
    Es war Mrs. Stone, die sprach.
    „Erdbeben erfolgen immer in drei Stößen“, sagte sie, so ruhig und sachlich, als stünde sie auf einem Katheder und erteilte Unterricht in einer Schulklasse. „Der zweite Stoß ist immer der kräftigste. Es ist möglich, daß in diesem Fall der erste Stoß so schwach war, daß keiner von uns ihn gemerkt hat, und daß dies der zweite war. In dem Fall sind wir gut dran. Wenn dagegen die Erschütterung, die wir gerade erlebten, die erste war, müssen wir uns darauf gefaßt machen, innerhalb weniger Minuten einen viel stärkeren Stoß zu erleben. Es ist besser, daß wir im Freien bleiben, für den Fall, daß das Haus den Stößen nicht standhält.“
    Meine Angst vor dem, was wir vielleicht noch zu erwarten hatten, vermischte sich mit Staunen. Wie in aller Welt kam diese Frau, die immer gelangweilt aussah, die Illustrierte las, wenn wir anderen die Augen aufsperrten - die den Mund nur aufmachte, um etwas ganz Negatives zu äußern - wie kam sie plötzlich dazu, diejenige zu sein, die Bescheid wußte - und ausgerechnet über Erdbeben?
    „Es ist besser, nicht so dicht am Schuppen zu stehen“, fügte Mrs. Stone hinzu. „Man kann nicht wissen, ob er einen kräftigeren Stoß aushält.“
    Wortlos und ziemlich blaß bewegten wir uns alle hin zur Mitte des freien Platzes.
    Mrs. Stone sah auf die Uhr.
    „Ich glaube, wir haben Glück“, sagte sie. „Es sind schon.“
    Sie unterbrach sich selbst, blieb stehen. Ein leises Zittern im Erdboden war einen Augenblick lang zu spüren. Dann war alles ruhig.
    Wir sahen Mrs. Stone fragend an.
    „Dann wäre es vorüber“, kam es ganz ruhig von ihr. „Dies muß der letzte Stoß gewesen sein. Dann können wir uns wohl zum Frühstücken fertig machen.“
    Worauf sie als erste durch die offene Tür ging, durch die Korridore und in ihr Zimmer, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Papuas und Spitzenhöschen
    Der schmale, sandige Weg schlängelte sich an der Felswand entlang. Auf unserer linken Seite wurde das Tal immer tiefer und die Bergseite immer steiler.
    Auf den kurzen, ebenen Strecken hielten wir ab und zu, wenn besonders gute Fotomotive auftauchten. Lachende, spielende kleine braune Nackedeis, die überhaupt nicht aufs Fotografieren reagierten, aber das größte Interesse an unseren bunten Bonbons zeigten. Frauen in ihrer Sonderausgabe von „oben ohne“ - fröhlich, unbefangen, zum Teil sehr hübsch. Viele von ihnen trugen ein enorm großes, grobgeflochtenes Netz, das mit einem Stirnband um den Kopf befestigt war. Wenn das Netz leer war, hing es als eine fast anmutig wirkende Dekoration - wenn es gefüllt wurde, sah es aus wie eine Last für zwei kräftige Männer und nicht für eine zarte Frau! Wir sahen Netze voll Holz, Gemüse, Wurzeln - wir sahen Frauen, die in dieser Weise lebendige oder tote Schweine trugen, oder sie verfrachteten ein springlebendiges Baby drin. Ja, die Babies! Daß die Frauen die Kleinen in einem Tuch auf dem Rücken tragen, das war mir ja aus Afrika bekannt. Und sollte ich selbst in Afrika ein Kind kriegen, würde ich ganz bestimmt dasselbe tun. Hier hatten sie sich was anderes einfallen lassen. Wenn das Kind aus dem ersten Babyalter und Tuchalter heraus war, wurde es in eine Art - ja, wie soll ich es nennen, eine Art Geschirr oder

Weitere Kostenlose Bücher