Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
sagte ich zuletzt. „Aber, daß so ein kleines Wesen uns das Dasein komplizieren würde, das stimmt. Weißt du, ich habe ja von vornherein die Einstellung gehabt, daß wir mit dem Kind warten müssen, bis unsere vier Jahre in Afrika vorbei sind.“
„Aber Sonnie, falls ihr nun für die Mary-Green-Stiftung weiter arbeiten wollt, was ich ja so innig wünsche, glaubst du dann, daß es nachher einfacher wird? Ihr werdet sehr viel unterwegs sein, ich weiß noch nicht, ob ihr in eine andere Gegend von Afrika geschickt werdet oder nach Südamerika, oder vielleicht hierher. Jetzt habt ihr jedenfalls für ein Jahr noch eine feste Wohnung, wenn es auch nur eine primitive Hütte ist. Und du bist vierundzwanzig, Sonja. Allzulange sollst du nun auch nicht warten!“
„Aber Tante Helene!! Wer hat uns vor drei Jahren auf einer Hotelterrasse in Entebbe gesagt, daß die jungen Ehepaare, die für die Mary-Green-Stiftung arbeiten, kinderlos sein mußten? Du hast sogar gesagt ,leider Gottes kinderlos’.“
Tante Helene setzte sich jäh im Bett auf.
„Aber Kind - ist es das, was dich daran hindert? Das ist ja ein Mißverständnis, Sonjalein, ein schreckliches Mißverständnis! Habe ich nicht gesagt vorerst kinderlos’? Doch nicht jahrelang! Ich meinte nur, daß die jungen Ehepaare nicht gerade mit Kleinkindern in einen fremden Erdteil ziehen sollen, daß sie anfangs genug damit zu tun haben, sich selbst einzuleben - ein anderes Klima, die neue Arbeit. Denk bloß, was für eine Umstellung das bedeutet - auch für euch war es eine Umstellung! Aber ich habe doch keine Sekunde gemeint, daß ihr kinderlos bleiben sollt! Ich werde dir was sagen, Sonnie: Du weißt, wie hoch ich Heiko schätze. Dir brauche ich nicht seine guten Eigenschaften aufzuzählen! Ich habe nie einen Mitarbeiter gehabt, der so zielbewußt arbeitet, so exakt, mit soviel Freude! Abgesehen von meinem Mann, habe ich auch niemanden getroffen, der sich so hundertprozentig für unsere große gemeinsame Aufgabe eingesetzt hat wie dein Heiko.“
Ich nickte eifrig. Wie war es schön zu hören, wie Tante Helene meinen Mann schätzte!
Sie fuhr fort: „Heiko ist sehr intelligent, das weißt du.“ (Nicken!) „Er ist ein durch und durch anständiger, ehrlicher Mensch.“ (Zweimal Nicken.) „Siehst du, es wäre eine Himmelssünde, wenn solche Eigenschaften nicht weitervererbt werden sollten! Ich sehe es so, daß du die - sagen wir Verpflichtung auf dich genommen hast, da du Heiko geheiratet hast, dafür zu sorgen, daß diese vielen guten Eigenschaften weitergeführt werden. Und noch eins, Sonja. Du darfst nicht vergessen, daß das Leben, das vor euch liegt, ein gefährliches Leben ist. Flugzeuge, wilde Tiere, riskante Expeditionen ins Unbekannte. - Es kann Heiko etwas zustoßen, gebe Gott, daß es nicht passiert, aber du weißt, daß sein Leben, und auch deines, riskanter ist, als wenn ihr brav und bürgerlich in irgendeiner deutschen Stadt lebtet, wo Heiko jeden Tag zu seiner Schule ginge und du nichts weiter wärest als eine gute Hausfrau. Wenn Heiko etwas zustoßen sollte, dann wäre es jedenfalls ein kleiner Trost, wenn er einen Sohn hinterließe!“
Ich hatte das Gefühl, daß ich blaß wurde. Tante Helene setzte das in Worte, was ich selbst nicht zu denken wagte.
„Ja, Tante Helene“, flüsterte ich. „Ich weiß es schon, ich schiebe es immer weg, ganz tief ins Unterbewußte - aber es stimmt, du hast recht.“
„So“, sagte Tante Helene mit ihrem guten, warmen Lächeln. „Somit hätte ich gesagt, was ich auf dem Herzen habe. Wie spät haben wir es? Halb acht schon! Lauf schnell ins Bad, Kind, wenn ich wieder einnicken sollte, dann weck mich, wenn du fertig bist!“
Sie legte sich wieder waagerecht und machte die Augen zu.
Ich ging unter die Brause, frottierte mich trocken, zog den Morgenrock an - und immer wieder klangen Tante Helenes Worte mir in den Ohren: Wir lebten gefährlich, es könnte uns jederzeit etwas zustoßen - Heiko könnte was zustoßen. Heiko war jetzt irgendwo in der Wüste oder im Gebirge - ich dachte an Schlangen, an steile, schmale Bergstraßen, an Flüge in kleinen Sportmaschinen
- und das Herz krampfte sich zusammen in meiner Brust.
Ich hängte das Handtuch auf und griff nach dem Kamm. Plötzlich rutschte er auf dem Glasbord entlang. Die Gläser klirrten gegeneinander, das Seifenstück fiel aus dem Napf und glitt über den
Fußboden.
Alles bebte und zitterte. Einen Augenblick dachte ich an die große Wasserpumpe hinter dem Haus.
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