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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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es war mir, als könnte ich den Tannenduft spüren. und den Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee und Muttis Schmalzkringelchen und Mandelplätzchen.
    Dann überkam mich das heulende Elend.
    So. Nun hatte ich nur eins zu tun. Eine Schlaftablette zu nehmen. Noch stundenlang wach zu liegen, das hielt ich nicht aus.
    Wieder raus aus    dem Bett,    eine Tablette    aus    dem
    Medizinkästchen geholt,    schnell in den Waschraum,    nach    einem
    Becher Wasser.
    Da blieb ich stehen, mit klopfendem Herzen. Ich horchte. Es war mir, als ob. ja, da war es wieder! Ich hatte ein Geräusch gehört! Es bewegte sich was im Haus!
    Könnten es Mäuse sein? Nein, hier gab es doch keine. Oder war es der Wind, schlug ein Zweig vom Rotdorn gegen die Wand?
    Nein. Es war hier im Haus. Und es waren Schritte. Unverkennbar Schritte. Um Gottes willen - Einbrecher! Vielleicht einer von den Brücken-Rowdys!
    Nie in meinem Leben hatte ich solche Angst gehabt!
    Ich machte das Licht im Waschraum aus, hielt die Tür einen Spalt offen. Die Schritte kamen näher. Plötzlich wurde das Licht im Korridor angemacht. Und da. da erschien etwas auf der Treppe. Ein brausender roter Haarschopf!
    Ich rannte durch den Korridor, ich schlug die Arme um den Hals des „Einbrechers“. „O Xenia! Xenia! O wie schön, wie schön, daß du da bist!“

Wollen wir Freundinnen sein ?
    Was wurde eigentlich in den ersten Augenblicken gesagt? Ich weiß es nicht genau. Ich glaube, ich selbst habe eine Menge unzusammenhängende Dinge geplappert, und ich weiß, daß ich Xenia mit in mein Zimmer gezogen habe.
    „Komm, Xenia, mein Zimmer ist noch warm, ich mache jetzt die Heizung wieder an. oh, wie bist du naß, gib mir deinen Mantel und die Schuhe. hier, nimm meine Pantoffeln. Hast du Hunger, nicht.? Aber es ist kalt, ich mache schnell eine Tasse Tee.“
    „Warte einen Augenblick, Heidi“, sagte Xenia. Ihre Stimme war ruhig wie immer, aber sie hatte einen neuen Klang. Es lag Wärme drin.
    „Es ist etwas, was wichtiger ist als Tee und Erzählen und Erklärungen“, sagte sie. „Wir beide müssen reinen Tisch machen, das heißt, ich muß mich bei dir entschuldigen. Ich bin widerlich zu dir gewesen, und ich weiß es selbst. Kannst du mir verzeihen, Heidi?“
    Ich griff ihre ausgestreckte Hand mit meinen beiden. „Und ob ich das kann! Reden wir bloß nicht darüber! Xenia, kannst du nicht Vertrauen zu mir haben? Wenn du wüßtest, wie brennend gern ich dich als Freundin haben möchte!“
    „Mich? Als Freundin? Heidi, du weißt nicht, wovon du sprichst!“ „Doch! Das weiß ich! Xenia, jetzt hat das Schicksal es so gemacht, daß wir hier ganz allein sind, wir sind aufeinander angewiesen, wir können es so schrecklich nett haben, wenn wir Freundinnen sind. Bitte, Xenia, glaube es mir, laß mich deine Freundin sein, reden wir miteinander, wie uns der Schnabel gewachsen ist, laß uns nett zueinander sein, sag doch, daß du es auch möchtest, Xenia!“
    Sie sah mich an, und einen Augenblick zitterten ihre Lippen. Dann schluckte sie und sprach ganz leise: „Ja, Heidi. Ich möchte es gern. Ich werde es versuchen, wenn ich kann!“
    Als ich mit der Teekanne aus der Küche kam, hatte Xenia einen ganzen Haufen delikater kleiner Schnitten aufgetischt, allerdings auf einem Stück Butterbrotpapier. Wir hatten ja kein Geschirr in unseren Zimmern. „Wie in aller Welt hast du das hervorgezaubert?“ fragte ich. „Das erzähle ich dir gleich, oder fängst du an zu erzählen?“
    „Oh, das ist schnell getan. Frau von Waldenburg setzte voraus, daß wir alle über Weihnachten nach Hause fahren würden, und meine Eltern setzten voraus, daß ich hierbliebe, und ich wollte sie nicht um Geld bitten. Ich war so froh, als Frau von Waldenburg uns die Schlüssel zur Hintertür gab. So wußte ich jedenfalls, daß ich über Weihnachten ein Dach überm Kopf haben würde. Ging es dir auch so, Xenia? Fehlte dir auch das Reisegeld?“
    Xenia sah mich an, antwortete nicht gleich. Zuletzt kam es leise, aber deutlich. „Das Geld hätte ich vielleicht aufbringen können. Das, was mir fehlt, ist ein Zuhause.“
    Es dauerte etwas, bevor die Bedeutung dieser Worte mir richtig klar wurde. Wie war es möglich, daß ein junges Mädchen kein Zuhause haben konnte? So „in der Luft hängen“, ohne den festen Punkt, worum alles sich dreht - das eigene Zuhause?
    Xenia las wohl meine Gedanken. Sie lächelte ihr kleines, ungewohntes, aber so hübsches Lächeln.
    „Vielleicht erzähle ich dir

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