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Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender

Titel: Rywig 09 - Ich zähl die Tage im Kalender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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los. Frau von Waldenburg brachte sie zum Bahnhof. Wir hatten eine sehr nette Kaffeestunde gehabt, mit frischgebackenem Stollen.
    „Das original Dresdner Rezept!“ erzählte Frau von Waldenburg. „Meine Schwiegermutter war Dresdnerin, von ihr habe ich das Stollengeheimnis. Ich habe einen für Isa gebacken, als Mitbringsel, und dann diese Kostprobe für uns, und ihr drei kriegt auch je einen kleinen Stollen, sozusagen ein Stöllchen, als Wegzehrung mit!“
    „Sie sind einmalig, Frau von Waldenburg“, sagte ich. „Wie hat Jessica doch recht! Für uns ist jeder Tag Donnerstag!“
    „Ach, Kinder, so was macht mir doch Spaß! Und wißt ihr, ich freue mich ehrlich darauf, euch alle wieder hierzuhaben! Und euch erzählen zu hören! Denise, haben Sie alles parat? Wir müssen in einer knappen Stunde los. Oh, Xenia, darf Bicky inzwischen bei
    Ihnen sein?“
    „Natürlich. Furchtbar gern, das wissen Sie doch.“ Als ob Bicky die Worte verstanden hatte, ging sie hin zu Xenia, legte den Kopf auf ihr Knie und ließ sich kraulen. Daß ein paar Stollenbissen in ihrem immer aufnahmebereiten Mund verschwanden, verursachte keine Kommentare!
    „Leider werde ich euch beide morgen nicht hinbringen können“, bedauerte Frau von Waldenburg. „Aber ihr habt für die wenigen Tage wohl nicht allzuviel Gepäck zu schleppen! Wann fährt Ihr Zug, Xenia?“
    „Elf Uhr elf. Aber ich muß eher los, ich habe etwas zu besorgen.“ Xenia sah müde aus. Die letzten Tage war sie jeden Nachmittag in die Stadt gefahren und sehr spät nach Hause gekommen. Sie sagte kein Wort über den Grund, und sie war nun mal ein Typ, den man nicht fragte. „Und Sie, Heidi? Fährt Ihr Schiff nicht um dreizehn Uhr?“
    „Doch. Aber ich muß rechtzeitig an Bord sein, und außerdem.“, es fiel mir etwas ein. Wenn bloß nicht die immer neugierige, oder sagen wir, die immer fröhlich interessierte Denise bat, meine Karte sehen zu dürfen! „Außerdem“, fuhr ich fort, „muß ich meine Karte abholen. Vati hat sie bestellt, von Norwegen aus, und ich kriege sie hier ausgehändigt.“
    Möge dies die letzte Lüge in dieser Angelegenheit sein, dachte
    ich.
    Dann brachen Frau von Waldenburg und Denise auf, Xenia verschwand in ihrem Zimmer mit Bicky, und ich fing an, den Koffer zu packen, den ich gar nicht brauchte.

Schritte in der Nacht
    Es regnete Bindfäden.
    Ich saß im Warteraum auf dem Oslokai. Ringsum fröhliche Menschen, Plaudern auf Deutsch und Norwegisch, Kinder in gelben Regenmänteln und norwegischen „Südwestern“ und Gummistiefeln. Koffer, Taschen, Reisesäcke. Abschiedsumarmungen, Blumen.
    „Gute Reise. grüße vielmals. komm gut zurück. schreibst du eine Karte. frohe Weihnachten. bringst du mir ein Stück Ziegenkäse mit, und eine Packung Lefse. vergiß nicht deine Pille gegen Seekrankheit. also, alles Gute!“
    Ich saß allein, machte mich so klein wie möglich in meiner Ecke. Ich hatte hier Zuflucht gesucht. Ich konnte ja nicht stundenlang im Regen rumlaufen, und die andere Möglichkeit, das Wartezimmer am Bahnhof mußte ich vermeiden. Frau von Waldenburgs Zug sollte kurz nach vierzehn Uhr fahren. Vielleicht würde sie rechtzeitig da sein, vielleicht hatte sie noch etwas zu besorgen.
    Xenia und ich waren zusammen losgefahren. Sie war am Bahnhof ausgestiegen, hatte mir die Hand gereicht und „Frohe Weihnachten“ gesagt. Ich antwortete „Danke, gleichfalls“, das war alles.
    Ich guckte auf die Uhr. Bald zwölf. Die Leute fingen an, ihre Siebensachen zu sammeln und an Bord zu gehen. Da lag das Schiff, das große, schöne Schiff, das morgen in Oslo sein würde. Von Oslo nach Tjeldsund war es ein Katzensprung, drei Stunden mit dem Zug.
    Aber ich saß in einem nassen Regenmantel im Warteraum in Kiel und durfte nicht mit.
    Ein paar Menschen guckten mich verwundert an. Es wurde mir peinlich. Also nahm ich meinen überflüssigen Koffer und ging. Was sollte ich bloß tun?
    Ich wanderte langsam zur nächsten Straßenbahn-Haltestelle. Da stieg ich in die erstbeste Bahn und fuhr bis zur Endstation, in einen Stadtteil, den ich überhaupt nicht kannte.
    Ich wartete zehn Minuten, stieg in die nächste Bahn und fuhr wieder zur Endstation, dem anderen Ende - „unserem“ Stadtteil. Es war eine weite Fahrt. Der Regen schlug gegen die Fenster, und ich saß da und ging meinen eigenen Gedanken nach.
    Vorgestern hatte ich mich am frühen Morgen von Bernhard verabschiedet. Er wollte dann Hasso zu guten Bekannten bringen, bei denen das liebe Tier in allen Ferien

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