Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
in der Nacht.“
„Macht nichts, morgen ist Samstag, da können wir ausschlafen.“ „Und wenn Bernt einen Nachtbesuch machen muß?“
„Nimmt er Andreas’ Wagen. Wozu hat man Verwandtschaft im Nachbarhaus?“
„Es ist wahnsinnig lieb von dir, Katrin!“
„Von wegen lieb. Endlich eine Gelegenheit für mich wieder Auto zu fahren, ich tu es viel zu selten, und ich bin ja eine leidenschaftliche Autofahrerin. Bernt kann auf seinen Sohn aufpassen, und wird er weggerufen, muß eben Anja herhalten.“
„Was seid ihr eigentlich für eine liebe Familie“, sagte ich nachdenklich. „Ihr seid immer bereit, einander zu helfen!“
„Wir haben es von Beatemutti gelernt“, lächelte Katrin. „Und was Anja betrifft, ist sie ja mit Beatemutti verwandt, das merkt man auch!“
Kurz vor zwei Uhr nachts winkte ich aus dem Abteilfenster Katrin zu. Der Zug setzte sich in Bewegung, ich machte es mir in einem leeren Abteil bequem. Die meisten Fahrgäste hatten wohl Schlafwagen. Ich konnte mich auf eine Bank legen, mich mit meinem hübschen neuen Wintermantel zudecken und versuchen zu schlafen.
Es war nicht leicht. In meinem Kopf rumorten allerlei Fragen und eine große, eine unbändige Freude. Was machte Hartmut in Norwegen? Warum wollte er sich mit mir treffen? Bedeutete ich mehr für ihn als ich selbst wußte? Was würden wir nun in Stavanger unternehmen? Wo würden wir wohnen?
Fragen über Fragen. Nun ja, morgen würde ich alle Antworten bekommen. Das einzige Vernünftige, was ich jetzt machen konnte, war zu schlafen. Sonst wäre ich morgen zu nichts zu gebrauchen.
Auf dem kleinen Klapptisch lag eine Zeitung. Ich blätterte drin, in der Hoffnung, etwas zu finden, was schlaffördernd wirkte.
Ich fand ein halb gelöstes Kreuzworträtsel. Darin bin ich nie eine Expertin gewesen, und auf norwegisch erst recht nicht. Ich fand eine deutsche Stadt und ein Fleischgericht. Während ich weiterstudierte, wurden meine Lider schwer, und ich schlief ein zwischen einem indischen Strom und einer Oper von Verdi.
Es war noch ganz dunkel, als ich erwachte, ich guckte auf die Uhr. Gerade fünf durch. In einer Stunde sollten wir in Stavanger sein. In einer Stunde oder vielleicht in zwei würde ich Hartmut wiedersehen! Wie klopfte mein Herz!
Ich goß mir Kaffee ein aus der Thermosflasche, die die vorsorgliche Katrin mir mitgegeben hatte. Ihr Butterbrotpaket ließ ich liegen, ich war viel zu aufgeregt, um essen zu können!
Ich ging in den Waschraum, wusch mir Hände und Gesicht und putzte die Zähne. Dann die Haare durchkämmen, mehr konnte ich nicht, tun. Dann nur warten, mein Herzklopfen spüren, die Minuten zählen - und endlich kam der Augenblick, wo der Zug langsamer wurde, ein Bahnhofsgebäude tauchte auf, eine Stimme im Lautsprecher: „Stavanger Hauptbahnhof, bitte aussteigen!“
Eine dunkle Straße, wenig Menschen. Ein grauer Himmel, Novemberkälte. Ich guckte nach links. Ja, ganz richtig: Die Worte „Hotel Atlantic“ in Leuchtbuchstaben gegen den grauen Himmel.
Also nichts wie. nanu!
Eine Hand auf der Schulter. Ich drehte mich um. „Allegra! Menschenskind, beinahe hätte ich dich nicht erkannt! Wo ist der Rest von dir? Du siehst ja aus wie ein Strich! Allegra, es ist großartig, daß du gekommen bist.“ Was er weiter sagte, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich Hartmuts Arme um mich hatte, daß ein liebes, sommersprossiges Gesicht ganz nahe kam und daß er mich küßte.
Hätte mir jemand vor einem halben Jahr erzählt, daß ich an einem kalten Novembermorgen vor einem Bahnhofsgebäude im westlichen Norwegen einen der schönsten Augenblicke meines Lebens erleben sollte, hätte ich es als ein Phantasieprodukt eines unzuverlässigen Wahrsagers betrachtet.
„Denk dir, mein Schiff kam früher als ich dachte an! Nix wie in eine Taxe gesprungen, zum Glück sind ja die Straßen leer, und der Fahrer war ehrgeizig und wollte es schaffen! Komm, diesen Weg, Allegra, im Hotel Atlantic gibt es ab sechs Uhr Frühstück, und das brauchen wir!“
„Hartmut, ich bin noch vollkommen verwirrt, ich begreife überhaupt nichts.“
„Begreifst du, daß ich dich soeben geküßt habe?“
„Ja, das ist das einzige, was mir klar ist.“
„Gut, das ist die Hauptsache! Alles andere am Frühstücks tisch!“ Im Hotel mußte ich dolmetschen. Alle waren dort auf Englisch eingestellt wie in vielen norwegischen Hotels. Mit dem Deutschen war es so eine Sache. Also bestellte ich das Frühstück und sagte was gesagt werden mußte.
„So“,
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