Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
dazustehen und Patin zu sein. Es war das erstemal in meinem Leben.
Es war mir schleierhaft, wie sie alle es geschafft hatten, bei der kurzfristigen Festsetzung des Tauftages Geschenke hervorzuzaubern. Aber Tatsache war, daß Beate schnell ein richtiges Geschenktischchen aufbauen mußte, während Katrin das Taufkind wickelte und abfütterte.
Senta und ich übernahmen die Küche, und als die kleine Hauptperson versorgt war, konnten wir zu Tisch gehen.
Ich stellte fest, daß die Norweger ein redefreudiges Völkchen sind. Kaum hatten wir den Braten intus, ging es los. Opa Rywig redete, Onkel Andreas redete, der stolze Vater ebenso. Es wurde auf die Gesundheit des Kindes angestoßen, auf das Wohl der jungen Eltern und auf dieses und jenes.
Als ich dachte, jetzt könnten wir wohl das Eis aus dem Kühlschrank holen, stand Katrin auf.
„Ich weiß nicht, ob es Sitte ist, daß auch eine bescheidene Ehefrau und frischgebackene Mutter das Wort ergreift“, fing sie an. „Und wenn es gegen die Etikette ist, pfeife ich drauf. Ich will nämlich einen ganz bestimmten Toast ausbringen, nämlich auf das tapfere junge Mädchen, dem wir zu verdanken haben, daß wir heute ein gesundes Kind zur Taufe tragen konnten. Allegra, ich werde dich mit Einzelheiten verschonen, du weißt woran ich denke, und ihr alle wißt es auch. Aber was ihr nicht wißt, ist, daß ich im Banksafe etwas hatte, was meiner Urgroßmutter gehörte, etwas, was ich heute Allegra schenke. Und ich möchte dazu sagen, daß ich nie in meinem Leben so gern etwas verschenkt habe. Bitte, Allegra, laß dir dieses Geschenk eine Erinnerung sein, eine Erinnerung von zwei unsagbar glücklichen Eltern!“
Sie reichte mir ein altmodisches, verschnörkelt dekoriertes Etui, und ich machte es mit hochroten Wagen und zitternden Händen auf.
Auf dem blauen, alten, verschossenen Samt lag ein Armband, ein wunderbares Armband aus fein ziseliertem Gold. Es war wie eine Schlange geformt, und als Auge war ein herrlicher Rubin einmontiert. „Katrin - ich - ich bin sprachlos - du sollst doch nicht.“
„Doch“, sagte Katrin. „Gerade das soll ich! Auf dein Wohl, Allegra! Trage das Armband bei Gesundheit, wie wir hier sagen -und - nun ja, kurz und gut: Danke, Allegra!“
Sie verließ ihren Platz am Tisch, kam hin zu mir mit ihrem Sektglas in der Hand. Den freien Arm legte sie um meinen Hals und küßte mir die Wange. Und dann hoben alle die Gläser, alle prosteten mir zu - und ich stand da, so hilflos, so befangen, so ratlos - und gleichzeitig sehr, sehr glücklich!
Das Armband machte die Runde, wurde bewundert - mit Recht -, und Senta konnte sich natürlich nicht verkneifen zu sagen, wenn ihre Schwägerin noch so ein Ding im Banksafe habe, würde sie, Senta, sich auch dazu überwinden, eine Kreuzotter anzufassen.
Dann kam das Armband zurück zu mir, und ich schob es auf meinen linken Arm. Ich hatte mir nie träumen lassen, daß ich jemals ein so schönes Schmuckstück besitzen würde. Und dann konnten wir endlich das Eis essen.
Am Nachmittag kam ein Anruf von Sonja - mit Lautsprecher! - , und dann kam ihr Heiko an den Apparat und gratulierte auf deutsch.
„Und dann einen Extraguß an die Schlangenbändigerin!“ sagte er zuletzt. „Ich weiß viel über Schlangen und etwas über die Schlangenphobie, und es ist mir ein ewiges Rätsel, wie eine solche Phobiepatientin eine Schlange anfassen kann!“
„Ich bin doch keine Phobiepatientin mehr!“ rief ich. „Die Geschichte hat mich kuriert! Und im Augenblick trage ich eine Schlange um den Arm!“
Der Tag ging zu Ende, er war urgemütlich und ziemlich anstrengend gewesen. Bevor wir zu Bett gingen, waren wir noch einmal schnell, der Reihe nach, am Babykörbchen und warfen noch einen Blick auf die kleine nichtsahnende, schlafende Hauptperson des Tages.
Über einer Stuhllehne hing noch das Taufkleid.
„Das nehme ich gleich mit“, sagte Senta.
„Du? Willst du es vielleicht für mich waschen?“ schmunzelte Katrin.
„Das auch. Aber ich nehme es nun eben mit, weil ich es in sieben Monaten brauchen werde!“ sprach Senta, nahm das Kleid und verließ erhobenen Hauptes das Zimmer und ihre gaffende Familie.
Es wurde wieder Alltag, das ruhige Leben ging weiter. Dann kam endlich der friedliche Abend, als ich mal Zeit hatte, mich um meine persönlichen Sachen zu kümmern. Was in diesem Falle bedeutete, daß ich Hartmut schreiben konnte.
Ich hatte es so lange überlegt, ich hatte mir hundertmal eine Antwort ausgedacht und dann
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