S - Spur Der Angst
Nona? Wenn ja, hatte der Junge sein Versprechen nicht gehalten.
Was hatte sie noch gesagt?
Die Sache ist dir doch längst entglitten! Ich meine, als ich gesagt habe, ich möchte gern mitmachen, dachte ich, es würde lustig werden, spannend. Ich habe an ihn geglaubt.
Je länger er darüber nachdachte, desto überzeugter war er, dass die Stimme Nona gehört hatte.
Wen hatte sie gemeint? An wen hatte sie geglaubt?
An einen Mann. Trent nahm nicht an, dass sie an Gott oder Jesus dachte, wenn sie im selben Satz von Spaß und Spannung sprach. Er überlegte, ob Reverend Lynch gemeint sein konnte, aber auch das passte nicht. Er konnte sich niemanden vorstellen, der es »lustig« oder »spannend« fand, mit dem wichtigtuerischen, gottesfürchtigen Lynch etwas zu unternehmen.
Verwirrt schenkte er sich den Rest Kaffee ein, machte ihn in der Mikrowelle warm und spülte die Kanne aus.
Es musste noch ein Dritter auf dem Heuboden gewesen sein, der die Kids angegriffen hatte. Sich erst aufgegeilt und dann Nona erwürgt hatte.
Warum hatte er sie aufgehängt?
Damit es aussah wie ein Selbstmord?
Oder wegen des theatralischen Effekts?
Es wäre so viel einfacher gewesen, ihren Leichnam einfach im Heu liegen zu lassen!
Es sei denn, es hätte ihm einen Kick gegeben, eine Schlinge zu knüpfen, sie um die Dachsparren zu schlingen und das leblose Mädchen hinaufzuziehen.
Irgendein perverses Ritual.
Aber nur das Mädchen. Drew hatte einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen und war anschließend durch die Bodenöffnung gestoßen worden.
Die Mikrowelle klingelte, und Trent nahm vorsichtig die Tasse heraus. Dann trat er ans Fenster und blickte in den noch immer tobenden Blizzard. Der Kaffee schmeckte bitter. Angewidert verzog er das Gesicht und dachte über die Informationen nach, die er aus dem Büro des Sheriffs bekommen hatte.
Detective Baines hatte ihm mitgeteilt, dass man bei Nona keine Abwehrverletzungen gefunden hatte, obwohl der Gerichtsmediziner Hautzellen unter ihren Fingernägeln nachweisen konnte. Ob die Zellen zu Andrew Prescotts DNS passten, blieb abzuwarten – unwahrscheinlich war es allerdings nicht, schließlich waren beide nackt und offensichtlich sexuell aktiv gewesen. Bis die Untersuchungsergebnisse da waren, würde es noch einige Zeit dauern, zunächst einmal mussten weiteres Spurenmaterial ausgewertet und die Fingerabdrücke abgeglichen werden.
Und in der Zwischenzeit saßen sie alle hier fest und hatten Angst vor einem durchgeknallten Psychopathen.
Trent nahm einen letzten Schluck, dann schüttete er den Rest ins Spülbecken. Wenn er sich schon zum Deputy hatte ernennen lassen, sollte er sich lieber an die Arbeit machen und herausfinden, was in jener Nacht wirklich passiert war.
Ausnahmsweise hatte Jules nicht geträumt. Auch ihr Kopfschmerz hatte nachgelassen.
Dankbar schwang sie die Beine aus dem Bett und machte sich auf den Weg ins Badezimmer, wo sie schnell unter die heiße Dusche sprang. Anschließend zog sie ihre Thermounterwäsche, Jeans, einen Pulli und den dicken Daunenparka an.
Sie griff soeben zum Türknauf, als ihr Blick auf ein kleines Stück weißes Papier vor der Schwelle fiel, das vorher nicht da gelegen hatte.
Sie hob es auf und drehte es um.
HELFEN SIE MIR !
Die verzweifelte Nachricht war in schwarzer Tinte geschrieben.
Fast hätte sie das Blatt fallen gelassen.
»Was zum Teufel soll das?«, fragte sie laut und drehte das Papier in den Händen. Sollte das ein Witz sein? Erlaubten sich ein paar Kids einen Spaß mit ihrer neuen Lehrerin? Oder steckte jemand anderes dahinter? Hatte sie nicht gestern Nacht das Gefühl gehabt, jemand wäre bei ihr im Zimmer gewesen?
Ihre Haut kribbelte, als sie die Tür aufzog und in den Gang hinaustrat.
Leer.
Die beiden anderen Türen in ihrem Stockwerk waren fest verschlossen. Wer flehte sie so panisch um Hilfe an? Shay.
Natürlich.
Aber Shay würde sie nicht siezen.
Jules stopfte den Zettel in ihre Jackentasche und eilte die Stufen hinunter, auf der Suche nach demjenigen, der ihn unter ihrer Tür hindurchgeschoben haben mochte. Du hast eine Nachricht bekommen. Na und? Sie versuchte, die Sache nicht ganz so ernst zu nehmen, aber in Anbetracht des Mordes an Nona gelang ihr das nicht.
Auf der Treppe war niemand.
Um diese Uhrzeit war es ruhig im Stanton House.
Sie blickte sich im Erdgeschoss um, wo ein paar Sofas, Tische und Lampen standen wie in einer Hotellobby, doch auch hier war niemand außer ihr, die einzigen Geräusche im Haus waren
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