S - Spur Der Angst
der ein weiteres Scheit ins Feuer legte. Sie starrte auf eine Seite, die noch Verstörenderes enthielt. »Langsam fange ich an zu begreifen, was hier vorgeht.«
Trent stand auf und wischte sich die Handflächen an den Jeans ab. Das Holzscheit loderte hell auf. »Dann zeig mir mal, was du herausgefunden hast, Superdetektivin Nancy Drew.«
»Sehr komisch.«
»Ich weiß, aber lass mich doch.« Er stellte sich hinter sie und blickte über ihre Schulter.
Jules griff nach ihrem Kaffee, drehte die Tasse in den Händen und sagte: »Es wird dir gar nicht gefallen.«
»Das dachte ich mir.«
Sie nahm einen Schluck und erzählte ihm dann, worauf sie gestoßen war. »Nach dem zu urteilen, was ich entziffern kann, hat Lynch einen Ordner über jeden Schüler und jeden Lehrer angelegt, und zwar unabhängig von denen, die in Charla Kings Aktenschrank im Verwaltungsgebäude eingeschlossen sind.« Sie tippte auf die rußgeschwärzten Dokumente. »Diese Akten – oder Dossiers oder wie immer man sie nennen möchte – enthalten ganz andere Informationen, Vermerke über Verhaftungen, Haftstrafen oder Vorstrafen sowie psychologische Informationen zu einzelnen Schülern. Das hier« – sie tippte mit dem Finger auf einen Aktendeckel, auf dem der Name Bernsen, Zachary stand – »sind keine gewöhnlichen Schüler- oder Personalakten. Deshalb werden sie auch gesondert weggeschlossen.«
Die Brauen tief gefurcht, überflog Trent die Dokumente. »Es ist kein Verbrechen, zusätzliche Akten mit weiteren Details anzulegen«, sagte er schließlich.
Jules nickte. Eine kräftige Böe brachte die Fensterscheiben zum Klirren und ließ die Flammen im Kamin tanzen. »Nein, das ist kein Verbrechen, da hast du recht, aber jetzt kommt der Knaller: Diese Akten enthalten Informationen, die nicht in Charla Kings Computerdateien auftauchen. Hier zum Beispiel –« sie deutete auf mehrere Seiten, die abgesehen von ein paar angesengten Ecken intakt waren – »haben wir ein psychologisches Profil von Eric Rolfe.«
»Ja und?«
»Es sind seine Testergebnisse und Zeugnisse, alle ordentlich in den Computer eingespeist und ausgedruckt. Es finden sich sogar kurze Informationen über seine Familie und ein Abriss seiner sozialen Probleme.«
Trent nickte und studierte den Ausdruck.
»Ich wette, das ist genau das, was auch in Charla Kings Akten steht, das, was die Eltern, zukünftige Colleges, Ärzte oder Rechtsanwälte zu Gesicht bekommen.«
Er griff nach seinem Becher und nahm einen Schluck Kaffee. »Und?«
»Es kratzt nicht einmal an der Oberfläche.« Sie spürte, wie ein Schwall Adrenalin durch ihre Adern raste, nervöse Energie, ausgelöst von ihrer Entdeckung. »Sieh mal.« Sie zog eine weitere Seite hervor, bedeckt mit Lynchs Handschrift. »Das hier ist ein anderer Bericht. Nicht getippt, doch er geht sehr viel weiter ins Detail. Rolfes Psyche wird förmlich seziert.«
Trent zuckte die Achseln. »Auch das ist nicht illegal. Für mich sieht das ganz normal aus.«
»Außer dass es nicht in den Hauptakten steht. Was wäre, wenn sich Lynch die Jugendlichen mit niedriger Aggressionsschwelle und hohem Gewaltpotenzial herauspickt, sie sorgfältig auswählt, und zwar aus einem anderen Motiv, als ihnen zu helfen?«
»Wie bitte?« Trent starrte Jules an, als würde soeben ein drittes Auge auf ihrer Stirn sprießen. »Warum?«
»Weil niemand anderes sie nehmen würde«, erwiderte sie. »Weil sein Institut sie vor Anstalten oder psychiatrischen Kliniken bewahrt und die Eltern ihm ein Vermögen dafür zahlen, wenn er sie ihnen abnimmt.«
»Ich kann dir nicht folgen.«
»Na schön, dann lass uns mit Eric anfangen«, sagte sie und schob Rolfes Akte auf eine Seite des Tisches. »Er ist ein gutes Beispiel – asozial und emotional unkontrolliert, wie er ist.«
»Deswegen ist er ja in Behandlung«, bemerkte Trent, zog einen Stuhl hervor und setzte sich rittlings darauf. Dann las er Lynchs persönliches Profil von Rolfe, in dem er den Jungen eindeutig als Soziopathen einschätzte. Selbst als Kind war Eric Rolfe schon verhaltensauffällig gewesen. Als Bettnässer bis zur Junior Highschool war er von seinem Bruder öffentlich bloßgestellt worden. Schon sehr früh hatte man ihn dabei ertappt, wie er, nur so zum Spaß, kleine Tiere quälte, und von der Grundschule an hatte er schwächere Kinder schikaniert, weshalb er von einem halben Dutzend Schulen geflogen war. Schließlich hatte er einen Klassenkameraden so schwer zusammengeschlagen, dass dieser ins
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