S - Spur Der Angst
Trent laut und fasste Roberto Ortegas Akte ins Auge. Der Name Ortega war Synonym für eine Kette von Fastfoodrestaurants von El Paso, Texas, bis nach Seattle, Washington.
»Lynch würde nicht wollen, dass jemand diese Schlüsse zieht. Ich bin mir sicher, die Behörden wären in der Lage, sich einen Reim darauf zu machen – nur brauchen sie dazu diese Unterlagen.«
»Außerdem würde der Reverend nicht wollen, dass seine privaten Aufzeichnungen, den mentalen Zustand spezieller Schüler betreffend, an die Öffentlichkeit gelangen.«
Jules rieb sich den verspannten Nacken. »Für die Eltern macht das auf eine verquere Art und Weise Sinn. Ihre Problemkinder hier in Blue Rock in Collegeprogrammen unterzubringen ist eine Möglichkeit, sie aus weiteren Schwierigkeiten herauszuhalten und so vor dem Gefängnis zu bewahren.«
»Und vor Schlagzeilen in der Presse. Kein Medieninteresse, kein Skandal.«
»Eine typische Win-win-Situation. Die Eltern glauben ihre kranken Lieblinge in Sicherheit und denken, sie würden hier Hilfe finden. Ihre Kinder können einen Collegeabschluss machen und wirken nach außen hin ›ganz normal‹.« Sie malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft.
»Krank, das ist genau das richtige Wort.«
Jules nickte, doch nach wie vor waren viele Fragen offen. Auch wenn sich die einzelnen Puzzleteile langsam zusammenfügten, galt es noch zahlreiche Lücken zu füllen. »Ich frage mich nur, ob die Jugendlichen mit der roten Markierung auf dem Aktendeckel die Mitglieder von Bert Flannagans Eliteeinheit sind.«
»Das ist durchaus möglich«, überlegte Trent. »Auch wenn mir nach deiner Entdeckung alles möglich erscheint.«
»Und es wird noch schlimmer.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe dir doch erzählt, dass Shay behauptet, es gäbe einen Geheimbund auf dem Campus. Was, wenn er sich nicht nur aus CBs zusammensetzt? Was, wenn auch Lehrer involviert sind oder sogar Lynch?«
»Nun mal langsam.« Er warf ihr einen Blick zu, der besagte, dass sie jetzt wirklich zu weit ging.
»Lass mich ausreden. Ich weiß, dass das verrückt klingt, aber denk doch mal darüber nach. Ein Geheimbund braucht einen Anführer.«
»Komm schon, Jules. Es handelt sich hier um qualifizierte Pädagogen mit Abschlüssen, Auszeichnungen und jahrelanger Erfahrung. Nur weil du ein paar von ihnen nicht magst, müssen sie doch nicht gleich kriminell sein.«
Jules fühlte sich, als laste das ganze Gewicht der Welt auf ihren Schultern, doch sie war sich sicher, dass sie auf der richtigen Spur war. »He, ich denke mir das hier nicht aus. Sieh doch selbst!« Sie schob ihm einen weiteren Stapel verschmorter Papiere zu und deutete auf die oberste Akte, auf der der Name Flannagan, Bert stand. Daneben befand sich ein roter Streifen. »Auch einige der Lehrerakten sind markiert.«
»Du hast recht. Es ist tatsächlich noch schlimmer.« Trent schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Lynch weiß offenbar genau, nach welchen Kriterien er sie auswählen muss.«
»Da kannst du sicher sein.« Als Jules nach dem Aktenstapel griff, streifte sie seinen Arm und wurde sich plötzlich der zunehmenden Wärme im Zimmer und des frischen Duftes seiner Haut bewusst. »Eine Eliteeinheit. Ich wette alle sieben Leben meines Katers darauf, dass er sie nur zu diesem einen Zweck rekrutiert hat.«
»Dann ist er genauso gestört wie die anderen.«
»Noch gestörter, wenn das überhaupt möglich ist.«
»Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen …«
Maeves Stimme war nicht mehr als ein Wispern, als sie das Lied aus ihrer Jugendgruppe sang und unverwandt durch den Schnee stapfte. Es kam ihr vor, als sei sie schon seit Stunden unterwegs, dabei ging sie in Wirklichkeit nur ausgesprochen langsam. Sie musste auf der Hut sein. Mit Mr. Taggert war sie klargekommen, hatte ihm und Tim Takasumi weisgemacht, dass sie in ihr Zimmer zurückkehren würde, dabei hatte sie sich, sobald die zwei außer Sichtweite gewesen waren, erneut aus dem Wohnheim geschlichen.
Glaubten sie wirklich, sie könnten sie aufhalten? Niemand konnte die Liebe aufhalten.
Sie wusste, dass es für Ethan schwer sein würde, sich davonzustehlen. Er hatte Wachdienst, was bedeutete, dass sie sich wohl gedulden musste. Während sie durch den Schnee trottete, überlegte sie, was sie ihm sagen, wie sie ihn zur Rede stellen wollte und wie sie ihn dazu bringen könnte, sie wieder zu lieben.
Er liebt dich, ganz bestimmt. Du musst ihm einfach zeigen, dass du seine Liebe
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