S - Spur Der Angst
Krankenhaus eingeliefert werden musste.
In den Unterlagen fand sich sogar eine Anklage wegen Vergewaltigung, die jedoch abgewiesen wurde. Irgendwie war Lynch an das Foto des Opfers gekommen, ein dreizehnjähriges Mädchen, das plötzlich seine Meinung bezüglich der Vorfälle auf einem dunklen Spielplatz geändert hatte. Auf einmal waren die DNS-Spuren nicht mehr eindeutig. Der Fall war nie vor den Richter gelangt.
»Was für ein liebenswerter Mensch«, sagte Trent, die Augen düster vor Zorn.
»Ein brillanter Geist, laut seiner Testergebnisse.«
»Wen interessiert’s? Er könnte so klug sein wie Einstein, trotzdem ist und bleibt er ein Soziopath.«
»Richtig«, stellte Jules sachlich fest. »Siehst du diesen roten Streifen auf der Innenseite des Aktendeckels?« Vorsichtig breitete Jules die verkohlten Seiten mit Informationen zu Missy Albright und Roberto Ortega auf dem Tisch aus. »Diese sind ebenfalls mit einem roten Streifen gekennzeichnet, und Lynch hat ganz Ähnliches konstatiert. Wahrscheinlich gibt es noch weitere solcher Akten, aber nur bei diesen sind die Deckel noch vorhanden und die Dokumente weitestgehend vollständig.«
Trents Mundwinkel zuckten, als er die Akten durchging. »Diese zwei, Missy und Roberto, sind genau wie Eric und einige andere. Auch sie blicken auf eine gewalttätige Vergangenheit zurück, und genau deshalb haben sie meiner Meinung nach die Aufmerksamkeit des Reverends geweckt. Sieh nur, hier sind wieder seine handschriftlichen Notizen. Psychogramme. Offenbar ist er fasziniert von ihnen.« Jules schob die Seiten zu Trent hinüber. »Der rote Faden ist der, dass diese Kids allesamt intelligent, aber psychisch schwerstgestört sind. In ihnen brodelt eine unkontrollierbare Wut, und zwar unter der Oberfläche. Sie sind grausam und ohne einen Funken von Mitgefühl.«
Jules begegnete Trents finsterem Blick. »Sie sind Soziopathen, um nicht zu sagen Psychopathen, eine Gefahr für die Gesellschaft. Und für sich selbst«, erklärte sie und zählte ihm verschiedene Merkmale für eine dissoziale Persönlichkeitsstörung an den Fingern auf. »Die betroffene Person ist charmant, nicht selten wortgewandt, doch sie zeigt keinerlei Einfühlungsvermögen oder Mitgefühl. Sie geht davon aus, dass sich die Welt allein um sie dreht, und schert sich einen Scheißdreck um die anderen.« Jules atmete tief durch, dann fügte sie hinzu: »Man kann einen Soziopathen nicht ›heilen‹ oder bekehren, aber das ist meiner Meinung nach auch gar nicht Lynchs Absicht. Ich bin mir nicht sicher, ob er diese Jugendlichen allein des Geldes wegen hierhergeholt hat oder ob ein anderes Motiv dahintersteckt. Vielleicht glaubt er, er kann sich ihre Bösartigkeit irgendwie zunutze machen. Ich weiß es nicht.«
»Mein Gott«, flüsterte Trent. »Die meisten von ihnen sind brillante Köpfe, ihr IQ liegt weit über dem Durchschnitt.«
»Aber sie sind nicht alle grausam. Und genau deshalb fallen die Schwächeren den Aggressiven zum Opfer.« Sie fühlte sich elend, war entsetzt über diese Entdeckung, doch sie war sich sicher, dass sie recht hatte.
»Was ist mit Nona Vickers und Drew Prescott?«, fragte Trent und kratzte sich abwesend das Kinn. »Glaubst du, Lynch hat sich eine Gruppe Soziopathen ausgewählt, der Drew und Nona irgendwie in die Schusslinie geraten sind? Oder wurden sie bewusst ins Visier genommen?«
»Keine Ahnung«, gab Jules zu, »aber ich gehe vom Schlimmsten aus. Ich denke, es handelt sich um eine bewusst zusammengestellte Gruppe, deren Mitglieder allesamt zu extremer Gewalttätigkeit neigen und mit Sicherheit als gemeingefährlich eingestuft werden können.«
»Glaubst du, sie würden auch vor einem Mord nicht zurückschrecken?«
»Manche müsste man bestimmt nicht lange dazu überreden.« Sie stand auf und schritt im Zimmer auf und ab, um ihre innere Anspannung ein wenig zu lösen.
»Lynch wusste, wen er da zusammenbrachte. Eine Gruppe von Psychopathen.«
Der Klang dieses Wortes, laut ausgesprochen, schien im Raum nachzuhallen. Plötzlich war Jules wieder kalt. Fröstelnd trat sie ans Feuer und wärmte sich, während sie zu begreifen versuchte, was sie da entdeckt hatte. »Was, wenn das niemand anderes als Lynch erkannt hat?«
»Warum hat er sie zusammengebracht?«, fragte Trent.
»Schlimmer noch«, entgegnete Jules. »Warum hat er sie bewaffnet? Du hast doch gesagt, diese Schüler hätten Zugang zu Waffen und die dafür erforderliche Lizenz.«
Sämtliche Farbe wich aus seinem Gesicht.
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