S - Spur Der Angst
Tür stehen, das Gesicht verzerrt vor Entsetzen. »Du hast ihn umgebracht!«, stieß sie anklagend hervor, stürzte ins Zimmer und sackte zu Boden.
»Nein, Mom, das habe ich nicht …«
Edie, im Blut ihres Ehemanns kniend, blickte auf und starrte ihre Erstgeborene an. »Warum?«, stammelte sie. »Warum hast du deinen Vater umgebracht?«
»Ich habe ihn nicht umgebracht … das musst du mir glauben, Mom!«
»Du hast Schuld«, ertönte donnernd Rips Stimme, wenngleich seine Lippen unbewegt blieben. Jules wusste, dass er Edie meinte. »Du hast das zugelassen!«
»Ich habe es nicht getan!«, beharrte Jules, die immer noch die blutige Klinge in der Hand hielt. Tropf, tropf, tropf perlten die Blutstropfen zu Boden.
Entsetzt fuhr sie hoch. Das Zimmer kam ihr seltsam fremd vor. Wo zum Teufel war sie?
»He, alles in Ordnung?« Neben ihr im Bett lag Trent, schlang seine kräftigen Arme um sie und zog sie an sich. Blinzelnd versuchte sie sich zu erinnern, wo sie war und wie sie hierhergekommen war. Mein Gott, offenbar war sie verrückt geworden!
»Nein.« Jules schüttelte den Kopf. Gar nichts war in Ordnung. Sie hatte etwas ziemlich Dummes angestellt, und auch die Gänsehaut von ihrem Alptraum wollte nicht weichen. »Es … es ist einfach schrecklich. Immer wieder träume ich von dem Mord an Dad, jedes Mal etwas anders, doch jedes Mal beginnt es damit, dass ich ein grausiges Tropfen höre. Ich weiß, dass es aus dem Arbeitszimmer kommt, und mache mich auf den Weg, um nachzusehen.«
Schaudernd stieß sie die Luft aus, suchte Trost in Trents Armen.
»Dann variiert der Traum. Ich gehe ins Arbeitszimmer, der Fernseher ist immer an, und Dad liegt immer in einer Blutlache auf dem Fußboden, aber manchmal ist er noch am Leben und spricht mit mir. Manchmal ist meine Mutter in der Nähe, manchmal kauert Shaylee bei ihm und … und … alles wird verschwommen. All die Menschen, die mir nahestehen, sind in der Nähe, doch es ist, als stünden sie auf einer Bühne und schlüpften in immer neue Rollen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ach, ich weiß nicht, was das bedeutet, ob es überhaupt etwas zu bedeuten hat.« Seufzend strich sie durch die Haare auf seiner Brust. »Um die Wahrheit zu sagen, jagt mir dieser Traum höllische Angst ein.«
»Schsch.« Er küsste ihren Scheitel. »Du musst deine Ängste loslassen.«
»Glaub mir, ich habe es versucht, aber …« Wieder seufzte sie und wünschte, diese nächtlichen Heimsuchungen würden endlich aufhören. Das tun sie nicht, bevor du dich nicht daran erinnerst, was wirklich passiert ist. Ihre Erinnerung an jene Nacht hatte sich mit der Zeit verändert; Splitter und Bruchstücke hatten sich zu einer Montage zusammengefügt: Sie wohnte noch zu Hause, auch die zweite Ehe von Rip und Edie ging in jener Zeit in die Brüche. Sie stritten nur noch miteinander, und ihre Auseinandersetzungen wurden immer schlimmer. Shaylee und sie hatten sich nach oben geflüchtet, wo sie laute Musik hörten, um die schrecklichen Worte, die ihre Eltern einander an den Kopf warfen, zu übertönen.
Zu sehen, wie sie sich gegenseitig fertigmachten, ging den beiden Mädchen an die Nieren. Nach dem Tod von Rip war es noch schlimmer geworden. Jules hatte den Plan, sofort aufs College zu gehen, vorerst verworfen und Trent aus ihrem Leben verbannt. Shay bekam in der Schule Probleme, und Edie … Edie war völlig von der Rolle gewesen, hatte Depressionen bekommen und war erst wieder munterer geworden, nachdem sie Grant Sykes kennengelernt hatte. Sie hatte den Eindruck, dass in ihrem Leben alles schiefgegangen war: zwei Scheidungen, jetzt Witwe und nicht einmal die Aussicht darauf, in Wohlstand leben zu können. Max Stillman hatte ihr nämlich klargemacht, dass von ihm kein weiterer Cent zu erwarten wäre, dass er seiner Tochter den Rücken kehren und sich stattdessen auf Max junior konzentrieren würde.
Der Mörder, der die Brieftasche ihres Vaters entwendet und in Schuhen mit glatter Sohle, Größe dreiundvierzig, durch den Garten geflohen war, hatte ihrer aller Leben für immer verändert. Er war nie gefasst worden.
»Ich fürchte«, sagte Jules und starrte in die Dunkelheit des Schlafzimmers, »der Alptraum wird nie verschwinden.«
»He.« Trents Stimme klang rauh. »Ich bin bei dir.«
Sie schnaubte. »Na und?«
»Und diesmal werde ich nicht wieder fortgehen.«
Sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete, und kuschelte sich enger in seine Arme. »Und wenn ich dich fortschicke?«
»Dann erst
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