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S - Spur Der Angst

S - Spur Der Angst

Titel: S - Spur Der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Jackson
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ausreichend verändert zu haben, um die Frau hinters Licht zu führen. Sie hatte sich extra blonde Strähnchen in die Locken färben lassen, die ihr nun sanft auf die Schultern fielen. Außerdem hatte sie sich ein Paar Highheels gekauft, das sie sich eigentlich gar nicht leisten konnte. Sie hatte sich für den engen Rock und den dazu passenden blauen Blazer entschieden, eine konservative Bluse und die Perlenkette, die ihre Großmutter ihr vermacht hatte – lauter Sachen, die sie seit ihrem Collegeabschluss nicht mehr getragen hatte. Anders als bei ihrem letzten Besuch hatte sie Make-up aufgelegt, so dass nichts mehr an die zerzauste Erscheinung von neulich erinnerte.
    »Ich bin mir sicher, ich würde mich an Sie erinnern, Mrs. Lynch«, sagte Jules und klang beinahe aufrichtig.
    Cora Sues Stirn glättete sich, sie wirkte zufrieden.
    »Ich weiß, dass dies kein gewöhnliches Vorstellungsgespräch ist, aber in Blue Rock betrachten wir uns als eine Familie, deshalb bitte ich die Leute stets hierher und nicht in die Schule. Lassen Sie uns über Blue Rock reden. Kommen Sie doch bitte in mein Arbeitszimmer. Cora, Liebling, würdest du uns einen Kaffee bringen? Oder lieber einen Tee?«, fragte Lynch, an Jules gewandt.
    »Kaffee, bitte«, antwortete sie bestimmt, um auf keinen Fall unentschlossen zu wirken. Sie wusste instinktiv, dass eine Das-ist-mir-gleich-Einstellung hier nicht ankommen würde, und sie sehnte sich verzweifelt danach, ihre Schwester wiederzusehen; das hier war ihre beste Chance. Und vielleicht auch ihre einzige.
    »Kaffee, Cora. Für mich bitte Tee.«
    Cora Sue nickte steif.
    Der Reverend hielt inne, um den erwartungsvollen Hunden die Köpfe zu tätscheln, dann schickte er die Pudel mit einem knappen »Geht mit Momma« und einem Fingerschnippen hinaus.
    Jules’ Magen schlug Purzelbäume, und ihre Nerven waren gespannt wie Drahtseile. Ihre Zehn-Zentimeter-Absätze klackerten laut auf dem Marmorfußboden, als sie mit Dr. Lynch durchs Foyer schritt, in dem ein gewaltiger, funkelnder Kristallkronleuchter hing. Während Cora Sue, Dr. Williams, Jakob und Esau auf einen Durchgang gegenüber einem geschwungenen Treppenaufgang zuhielten, folgte Jules Lynch durch eine Flügeltür in ein Arbeitszimmer im rückwärtigen Teil der Villa. Bücherregale, die vom Fußboden bis zur Decke reichten, säumten die Wände und flankierten einen großen Kamin, in dem ein Gasfeuer zischend über Keramikkohle flackerte. Die Fenster des Raumes wiesen auf den See. Jules sah das Wasserflugzeug, das Shay nach Südoregon gebracht hatte, am Anleger vertäut liegen.
    Lynch folgte ihrem Blick, während er hinter seinen Edelholzschreibtisch trat, der groß genug war, dass sechs Personen zum Mittagessen daran Platz gefunden hätten.
    »Das Flugzeug«, sagte er mit einem leisen Lachen. »Ich denke, es wirkt ein wenig dekadent, aber es vereinfacht die Dinge ungemein. Wie Sie wissen, liegt unser Institut sehr abgeschieden, obwohl eine Straße dorthin führt, die den Großteil des Jahres passierbar ist. Nur wenn im Winter allzu viel Schnee liegt, ist ein Befahren unmöglich, und das Gleiche gilt fürs Frühjahr, wenn die Schneeschmelze die Straße unterspült.«
    Wieder ließ er ein leises, amüsiertes Lachen hören. »Trotzdem müssen Sie sich keine Sorgen machen, es gibt das Wasserflugzeug und einen Hubschrauberlandeplatz. Nur bei ganz furchtbarem Wetter sind wir von der Außenwelt abgeschnitten, und selbst das ist kein Problem. Mit den schuleigenen Generatoren, dem Personal, das auf dem Gelände untergebracht ist, und mehr als ausreichenden Lebensmittelvorräten sind wir jeder Katastrophe, die Gott uns sendet, gewachsen.«
    Er bedeutete Jules, auf dem Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen, während er sich auf einem Lederchefsessel ihr gegenüber niederließ. »Ich nehme allerdings an, die zehn biblischen Plagen, wie sie im Exodus beschrieben sind, würden wir womöglich nicht überstehen.«
    »Mag sein.« Jules wusste nichts über die biblischen Plagen, aber sie nahm sich fest vor, gründlich den Exodus zu studieren. Sie versuchte, sich auf dem Stuhl mit der steifen Rückenlehne bequem zurechtzusetzen, und hörte zu, wie Lynch, der offenbar voll und ganz in seinem Element war, ein Loblied auf die Schule und ihre Geschichte anstimmte und was für einen Segen sie für die jungen Leute im ganzen Land bedeutete. Der Reverend ging sogar so weit, Blue Rock als »ein kleines Stück Himmel auf Erden« zu bezeichnen, und

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