S - Spur Der Angst
an, ein wenig rascher zu schlagen. »Auf Ihrer Homepage stand, die Stelle sei sofort zu besetzen.«
»Und das würde Ihnen passen?«
»Ja«, sagte sie leichthin. »Bis morgen könnte ich alles Notwendige in die Wege geleitet haben.«
»Wirklich?«
Er sah sie überrascht an. Am liebsten hätte sie sich einen Tritt gegeben. Sie wollte nicht zu eifrig erscheinen oder gar Misstrauen erregen.
»Ja, das könnte klappen, wenngleich es natürlich besser wäre, mir blieben ein paar Tage Zeit.«
Der Reverend kniff nachdenklich die Augen zusammen, dann blickte er auf die Uhr an der Wand über dem Kamin. »Ich werde auf Sie zukommen, Ms. Farentino«, versprach er.
»Das würde mich freuen.« Sie stand auf und streckte die Hand aus, wobei sie ihm direkt in die Augen sah. »Ihr Schulkonzept klingt äußerst interessant. Innovativ. Ein Muss für so viele enttäuschte, fehlgeleitete Jugendliche.« Die Worte wären ihr fast in der Kehle stecken geblieben, dennoch gelang es ihr, ein Lächeln zustande zu bringen.
Eine seiner Augenbrauen schoss in die Höhe, während er ihre Hand eine Sekunde zu lang in seiner hielt. Glitt sein Blick ein wenig tiefer, zu ihren Brüsten hinunter?
Doch schon einen Augenblick später wandten sie sich beide der Tür zu, und Jules fragte sich, ob sie sich das vielleicht nur eingebildet hatte.
Vielleicht hatte sie etwas missverstanden.
Das Vorstellungsgespräch war vorüber, und Lynch begleitete sie ins Foyer. Dort warteten Dr. Williams und Dr. Burdette zusammen mit einem Mann, den ihr der Reverend als den Piloten vorstellte.
Kirk Spurrier schüttelte ihr die Hand. Er war groß, hatte dunkles Haar und ebenso dunkle Augen und wirkte durch und durch professionell. »Schön, Sie kennenzulernen.«
»Ebenfalls«, erwiderte sie.
Er lächelte, dann wandte er sich an Lynch. »Wenn möglich, würde ich gern bei Tageslicht zurückfliegen«, sagte er.
Der Reverend nickte knapp. »Ich denke, wir sind hier fertig.«
»Vielen Dank für Ihre Bewerbung«, sagte Tyeesha Williams und nahm Jules’ Hand in beide Hände. Ihr Lächeln war so strahlend wie die Silberarmbänder an ihrem Handgelenk.
Adele Burdette nickte ihr flüchtig zu, Cora Sue ignorierte sie völlig.
Ein unaufrichtiges Trüppchen, dachte Jules, als sie in dem Wagen davonfuhr, den sie zur Tarnung gemietet hatte. Sie hatte befürchtet, dass sich Cora Sue, Herrin zweier Pudel mit biblischen Namen und offenbar unglückliche Ehefrau des Reverends, an ihren verbeulten Volvo erinnern könnte.
Ohnehin wäre es durchaus möglich, dass sie aufflog, obwohl sie vorsichtshalber ihre alte Adresse in Portland angegeben hatte, von der ihr die Post derzeit nach Seattle nachgesendet wurde. Sollte man sie danach fragen, würde sie zugeben, dass sie hierhergezogen war, und behaupten, sie wäre nur noch nicht dazu gekommen, sich umzumelden. Sie hoffte nur, dass sie ihren Schwindel nicht noch mehr ausweiten musste. Zwar hatte sie in diesem Fall keine wirklichen moralischen Bedenken zu lügen – immerhin ging es darum, ihre Schwester zu retten –, aber es fiel ihr nicht ganz leicht. Jules war eine lausige Lügnerin, eine echte Anfängerin.
Aber sie lernte rasch.
Kapitel zwölf
R honda Hammersley war dafür, die Frau zu engagieren, womit die Sache für sie erledigt war, doch natürlich entsprach das gar nicht Reverend Lynchs Vorgehensweise. Im Gegenteil, Lynch verkündete, er werde den Fall »von allen Seiten eingehend betrachten«. Schnelle Entscheidungen waren nicht seine Stärke.
Sie saßen alle an dem großen Bibliothekstisch, an dem sie mit Julia Farentino vor weniger als einer Stunde ihre Bewerbungsgespräche geführt hatten. Im Kamin flackerte ein Feuer, Cora Sue saß auf einem Zweisitzer in einer Ecke, die Pudel zu ihren Füßen, und ihre Stricknadeln klackerten leise. Rhonda war sich sicher, dass ihr kein Wort von dem entging, was sie besprachen. Lynchs Frau war ihr unheimlich, auch wenn sie das natürlich nie zugegeben hätte. Das Geld für die Gründung von Blue Rock stammte von Cora Sues Familie, weshalb Rhonda den Mund hielt. Das war ihr der Job wert.
In der Tür zum Foyer stand Kirk Spurrier und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Der Pilot war immer in Eile, hatte stets ein Auge auf den Himmel gerichtet und ständig Sorge wegen des Wetters.
Hammersley war sich sicher, dass auch Adele Burdette mit der Kandidatin zufrieden war, und tatsächlich: »Nehmen wir sie«, schlug sie soeben vor und warf einen letzten Blick auf Farentinos
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