Saat des Feuers
Berichterstattung einen Namen gemacht.
Wie es das Schicksal wollte, begann ihre Beziehung als eine routinemäßige Undercover-Operation. Als der MI5 davon Wind bekam, dass Juliana Howe mit einer nordafrikanischen Terrorzelle in Verbindung stand, schickten sie ihn, um die Situation einzuschätzen und ihre Quelle aufzudecken. Cædmon, in der Rolle eines zerstreuten, aber seriösen Inhabers einer Buchhandlung im Stadtteil Charing Cross, arbeitete sechs Monate an dem Fall. Behutsam wie ein Konditor, der Schicht um Schicht eine Hochzeitstorte verziert, gewann er Julianas Vertrauen bei Drinks im Fox and Hounds,
Verabredungen zum Dinner im Le Caprice und Abenden in Covent Garden. So entstand die Legende von Peter Willoughby-Jones. Cædmon wurde zu einem Mann, der einer Hintergrundüberprüfung des MI5 zufolge auf die wohlerzogene und gebildete Juliana Howe größtmöglichen Eindruck machen würde.
Er wurde aber auch zu einem Geheimdienstmitarbeiter, der die unverzeihliche und tragische Sünde beging, sich in seine Zielperson zu verlieben. Tragisch deshalb, weil das Objekt seiner Zuneigung ihn immer nur als Peter Willoughby-Jones kennen würde. Aufgrund ihres Berufes hielten die Hintergrundermittler im Thames House Juliana Howe für ein hochgradiges Sicherheitsrisiko. Was bedeutete, dass er ihr niemals seine wahre Identität enthüllen konnte.
Nachdem die nordafrikanische Zelle hinter Schloss und Riegel gebracht worden war, führte Cædmon seine Beziehung mit Juliana fort, denn er war nicht in der Lage, sie aufzugeben. Er versicherte seinen Vorgesetzten, dass es noch weitere Informationen zu sammeln gab, dass es sich auszahlen würde, in täglichem Kontakt mit einer Enthüllungsreporterin der BBC zu stehen. Als die Real Irish Republican Army eine Bombe vor dem Gebäude der BBC hochgehen ließen, war der Chef seiner Abteilung plötzlich einverstanden. Doch die verdammten Bastarde der RIRA begnügten sich nicht damit, an diesem Punkt aufzuhören. Darauf versessen, ganz London zu terrorisieren, zündeten sie in jenem Sommer noch mehr Bomben, darunter eine weitere bei der BBC.
Diese Bombe nahm ihm die Frau, die er über alles liebte. Und weil ein Mann, der sein Herz verloren hat, zu einem herzlosen Bastard wird, nahm Cædmon es auf sich, dieses schreckliche Unrecht zu sühnen. Nachdem er Timothy O’Halloran, den RIRA-Anführer, der für die Bombenattentate verantwortlich war, zur Strecke gebracht hatte, brachte er Wochen in einem Zustand völliger Trunkenheit zu, wie ein Säufer auf einem Kupferstich von Hogarth. Der Schmerz war unerträglich, und ihm wurde klar, dass O’Halloran
zu töten die Dämonen dieser schicksalhaften Explosion nicht hatte vertreiben können. Es hatte nur seinen Durst nach Rache befriedigt. Doch Rache brachte keinen Trost. Oder Erlösung. Es zeigte ihm nur, dass er in der Lage war zu töten.
Keine leichte Erkenntnis für einen Menschen.
Als er endlich wieder nüchtern und klaren Sinnes wurde, fand er heraus, dass der MI5 die Seinen nicht im Stich ließ, ganz gleich, welche Verfehlung sie begangen hatten. Doch er bestrafte sie. Man degradierte ihn dazu, ein Unterschlupfquartier in Paris zu unterhalten, und es dauerte noch fünf Jahre, bis er aus dem Dienst entlassen wurde. Endlich ein freier Mann.
Cædmon warf einen Blick auf das Handy auf dem Tisch und dachte an den Anruf von vorhin. Vielleicht war es voreilig von ihm gewesen, die alten Bande zu zerschneiden.
»Ein bisschen spät dafür, alter Junge«, murmelte er, was ihm einen bedeutsamen Blick von einer pferdegesichtigen Frau am Nebentisch einbrachte. Er lächelte entschuldigend. »Beachten Sie mich gar nicht. Ich neige dazu, vor mich hin zu brabbeln, wenn ich in Gedanken bin.«
»Freut mich zu hören, dass ich nicht die Einzige bin, die mit sich selbst redet.« Sie hielt seinen Blick. Ein Angebot.
»Ja, durchaus.« Sein Handy klingelte leise und informierte ihn über eine empfangene E-Mail. Erleichtert darüber, sich elegant aus der Affäre ziehen zu können, nahm er das Gerät in die Hand. »Entschuldigen Sie, ich muss mich ums Geschäft kümmern.«
»Oh, natürlich.« Seine Nachbarin errötete bis unter den ergrauenden Haaransatz und interessierte sich plötzlich intensiv für den Plastikdeckel ihres Kaffeebechers.
Cædmon öffnete seinen E-Mail-Ordner und starrte auf den Eintrag. Nachdenklich trommelte er mit den Fingern auf den Tisch. Er konnte sich nicht erinnern, seine E-Mail-Adresse jemandem namens Edie Miller gegeben zu haben.
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