Saat des Feuers
unterhaltsam Ihre Lügen auch sein mögen, ich bin sie langsam leid, Miss Miller.«
»Lügen? Was für Lügen?« Als darauf nur Schweigen folgte, meinte sie: »Hören Sie, Sie verwechseln mich mit einer anderen Verdächtigen in der Gegenüberstellung.« Als sich die Stille hinzog, fügte sie hinzu: »Das war ein Witz!« Nach dem Motto: Leute, die etwas zu verbergen haben, können keine Witze machen.
»Ein Postbote in dem Appartementgebäude hinter dem Museum hat Sie, in dem Glauben, er erfülle seine Bürgerpflicht, anhand Ihres Führerscheinfotos identifiziert. Sehen Sie? Wir wissen alles
über Sie, Miss Miller. Wir wissen auch, dass Sie im Museum waren, im dritten Stock, als Dr. Padghams unglückliches Ende ihn ereilte.«
Unglückliches Ende? Meinte dieser Kerl das ernst? Jonathan Padgham war das komplette Gehirn aus dem Schädel geblasen worden. So viel zum Thema saubere Arbeit.
»Wer sind Sie?«
»Wer ich bin, ist unwichtig.« Dann wurde die Stimme des Anrufers eine beängstigende Oktave tiefer. »Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass Sie zwar davonlaufen, sich aber nicht verstecken können.«
Edie sah in den Rückspiegel.
Geländewagen, Autos, Taxis und Lieferwagen jeder Couleur.
Aber kein dunkelblauer Ford.
Und keine Streifenwagen.
Sie beschloss, es darauf ankommen zu lassen.
»Ein Wort zur Warnung, Kumpel. Wenn man einer Frau Angst einjagen will, dann sind Klischees üblicherweise nicht besonders wirkungsvoll. Und was Drohungen angeht, da hab ich auch eine für Sie … Rufen Sie mich noch einmal an, und ich werde keine Sekunde zögern, zum FBI zu gehen. Normalerweise würde ich ja die Bullen rufen, aber ich vermute, ich käme wohl nicht mehr lebend aus der Polizeiwache raus. Ich kann mir die Schlagzeile lebhaft vorstellen. ›Edie Miller, Opfer eines bedauernswerten Unfalls, rutscht auf dem frisch gewischten Fußboden des Polizeipräsidiums aus und schlägt sich den Schädel ein.‹ Was denken Sie? Klingt das in etwa richtig so?«
»Ich bin mir sicher, das FBI ist viel zu beschäftigt damit, Terrorzellen des Dschihad aufzuspüren, um Ihren Anruf entgegenzunehmen, geschweige denn Ihnen auch nur eine Sekunde lang zuzuhören.«
»Ach, aber wie Sie schon sagten, ich bin die einzige überlebende Zeugin einer brutalen Hinrichtung. Einer Hinrichtung, an der ein gut organisierter Kunstschmugglerring beteiligt ist«, legte sie alle
ihre Karten auf den Tisch. »Ich denke, die Anzugträger beim FBI werden mir mit Freuden ein paar Minuten ihrer Zeit erübrigen.«
»Woher wollen Sie wissen, dass wir nicht auch das FBI infiltriert haben?«
Das tat sie nicht. Und der eingebildete Bastard wusste das.
»Was wollen Sie von mir?«
»Nur reden. Die Situation klären, um Ihre unbegründeten Ängste zu mildern. Ich habe sehr tiefe Taschen, Miss Miller, und wäre nur zu gerne bereit, den Kontostand Ihrer beiden Bankkonten zu verdreifachen.«
Ja, klar. Irgendetwas sagte ihr, dass sie niemals auch nur einen Cent sehen würde.
Sie trat aufs Gas und zog den Jeep über eine Spur, dann noch eine, und verließ den Kreisverkehr an der Massachusetts Avenue.
»Sie wollen reden? Fein. Ich habe Ihnen nur eine einzige Sache zu sagen …« Sie zog die Stille noch ein paar Sekunden in die Länge, dann schrie sie: »Fahren Sie zur Hölle!«
Heftig riss sie sich das kabellose Headset vom Ohr und schleuderte es in Richtung ihrer Tasche.
Zitternd – nicht wie Espenlaub, sondern wie ein ganzer windgeschüttelter Wald von Espen – hielt sie den Blick fest auf die Straße gerichtet, und die vertrauten Reiterstatuen wischten an ihr vorbei, während sie durch den Scott Circle und die Unterführung am Thomas Circle fuhr. Dann bog sie rechts in die 11th ab, folgte ihr ein paar Blocks und bog dann links in die Pennsylvania. In einiger Entfernung ragte das Kapitol auf.
Der Schnee fiel nun heftiger. Ohne es richtig zu registrieren, drehte sie die Heizung auf.
An der 4th Street fuhr sie rechts, das Ostgebäude der National Gallery of Art zu ihrer Linken, das Westgebäude zu ihrer Rechten. Ohne sich die Mühe zu machen zu blinken, bog sie scharf rechts in die kreisförmige Auffahrt neben dem Museum und stellte den Jeep auf dem ersten verfügbaren Parkplatz ab, den sie finden konnte,
direkt hinter einem schneebedeckten Lexus. Es war ein hervorragender Parkplatz, nur wenige Schritte vom Eingang des Westgebäudes entfernt. Es war außerdem ein Parkplatz, der für Museumsmitarbeiter reserviert war.
»Dann verklagt mich
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